Hallo, ihr achtzigtausend!
Geschrieben von jnwwebmaster am June 14 2007 05:21:21

Kundgebungsrede vom Werner Rätz, 2. Juni 2006

Hallo, ihr achtzigtausend!

Ja, achtzigtausend Menschen haben heute hier gegen die Politik der G8 protestiert. Und dabei hatte man uns das Ende der Geschichte angekündigt, das Ende aller Kämpfe und den endgültigen, immerwährenden Sieg des Kapitalismus.

Und dann kam aus dem Urwald im Süden Mexikos die Antwort, als die ZapatistInnen offensiv gegen den Neoliberalismus aufstanden und erklärten: „Eine andere Welt ist möglich! Eine Welt, in der viele Welten Platz haben!“

Trotzdem erzählte man uns weiter, es gebe keine Alternative und privatisierte und patentierte weiterhin Stück für Stück unser Leben.

Und dann kam Seatlle und dann kam Genua und es wurde klar: Die andere Welt ist längst da!

Hier in Rostock steht sie heute auf dem Platz, in der nächsten Woche ist sie hier und rund um Heiligendamm auf den Plätzen, in den Workshops, auf den Straßen.

In unserer Praxis, in unseren Kämpfen wird die andere Welt Wirklichkeit oder nirgendwo! Ihr seid, wir selbst sind die andere Welt.

Das heißt nicht, dass wir schon gewonnen hätten.
Auch Andere bauen an einer andren Welt, einer Welt der Sicherheit für Profite und Investitionen.
Freihandel verspricht die Bundesregierung und die G8 den Menschen weltweit und es klingt nicht nur so, es ist eine Drohung.

Denn was ist denn der Freihandel, den Frau Merkel meint? Sie sagt es offen: Es ist die Freiheit der Investoren, alles und jedes kaufen zu können und dabei sicheren Gewinn zu machen.

Der konkrete stoffliche Reichtum, die Dinge, die unser Leben möglich und angenehm machen, sind nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Dinge sich kaufen und verkaufen lassen.

Du bist krank? Dann bezahle einen Arzt! Dazu hast du kein Geld? Ach, du armer Mensch, dann wünschen wir dir von Herzen gute Besserung!

Du hast Hunger? Dann kauf dir Nahrung! Die kannst du nicht bezahlen? Dann geht es dir wie achthundert Millionen Anderer, die hungern, obwohl jährlich für fast zwölf Milliarden Menschen Nahrungsmittel hergestellt werden.

Ich kann da nur sagen: Dieses System taugt nichts!

Es konzentriert den Reichtum bei wenigen und enteignet die Vielen ebenso wie die öffentlichen Hände.

Denn was ist es anderes als Enteignung, wenn Menschen nach einem langen Arbeitsleben in Hartz IV gezwungen werden?

Was ist es anderes als Enteignung, wenn öffentliches Eigentum verschleudert wird?

Was ist es anderes als Enteignung, wenn die gesetzliche Krankenversorgung und die Rentenversicherung privaten Investoren überlassen werden?

Und dies alles ist kein Zufall, kein Irrtum, sondern diese Politik hat System.

Und sie drohen nicht nur, sie machen Ernst:

1994 verkündete die Weltbank, weltweit müsste die Rentenversicherung privatisiert und in Rentenfonds organisiert werden. Im Jahr 200 beschloss die Europäische Union im Rahmen ihrer Lissabon-Strategie genau das. 2001 wurde mit der Riester-Rente der erste große Privatisierungsschritt in Deutschland getan und immer noch geht die Verarmung der Rentnerinnen und Rentner weiter.

Wer sich das anschaut, kann nur sagen: Dieser ganze Kapitalismus taugt nichts!
Er bindet das Leben an ein Einkommen, das Einkommen an eine Erwerbsarbeit und die Erwerbsarbeit an den Profit. Dabei war die Welt noch nie so voller Reichtum wie heute. Ewas, das immer nur ein Traum schien, wäre heut möglich, das gute Leben aller.

Aber es ist nicht möglich, wenn alles und jedes zur Ware wird. Unter dem Diktat des Kaufens und Verkaufens muss Mangel herrschen, damit die Preise stimmen.

Dabei ist genug für alle da. Jeder Mensch hat ein Recht, daran teilzuhaben.

Das muss sich niemand verdienen, nicht durch Arbeit, nicht durch Wohlverhalten, durch nichts. Das hat jede und jeder einfach nur so, weil es sie gibt. Die unbedingte Teilhabe am Reichtum der Welt und am Leben der Gesellschaft – das ist ein Menschenrecht.

Ich sage es noch einmal: Es ist genug für alle da, weltweit! Und längst stehen weltweit die Menschen auf und fordern ihren Anteil.

In China, in Indien, in Vietnam versucht man es eher auf dem kapitalistischen Entwicklungsweg. Obwohl ich fürchte, dass das eine Sackgasse ist, haben diese Länder jedes Recht der Welt, ihren fairen Anteil zu fordern.

In Südafrika, in Namibia, in Brasilien gibt es breite Kampagnen für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle.
Das ist genau das, worum es geht:
Von seiner Arbeit muss man leben können, aber ohne Arbeit auch!

In Lateinamerika, in Chile begann der Siegeszug des Neoliberalismus.
Heute wählen die Menschen auf dem Subkontinent reihenweise die neoliberalen Regierungen ab. Herzlichen Glückwunsch! Adelante companeros!

Und auch hierzulande nehmen die Kämpfe Gestalt an.

Die Telekom-Beschäftigten wehren sich und haben heute hier gesprochen. Die Privatisierung der Bahn konnte weit hinausgeschoben werden – lasst sie uns ganz verhindern!

Und dann können wir das nächste Ziel in Angriff nehmen, etwa die Energiekonzerne, die enteignet und zerschlagen gehören!

Wir wollen und werden die Privatisierung unseres gesamten Lebens rückgängig machen!

Es ist möglich, das gute Leben aller, weltweit!

Wir wollen und werden es erreichen!