Aufstand in Ingelheimer Abschiebegefängnis
Geschrieben von jnwwebmaster am July 15 2009 15:57:26
Aufstand in Ingelheimer Abschiebegefängnis

Kritik an Polizei-Einsatz

Protest der Abschiebehäftlinge
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Protest der Abschiebehäftlinge (Bild: ddp)
Das Vorgehen von Sondereinsatzkräften der Polizei gegen protestierende Insassen im Abschiebegefängnis Ingelheim bei Mainz stößt auf Kritik von Flüchtlingsinitiativen. Nach Polizeiangaben wurden bei dem Einsatz drei Insassen leicht verletzt, zwei weitere mussten im Krankenhaus untersucht werden.

Insgesamt hatten sich 22 Insassen verbarrikadiert. Anlass des Aufstandes war die versuchte Abschiebung eines 25-jährigen Mannes aus Marokko, der sich gegen den Abtransport zur Wehr setzte.
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Am Montagabend hatten nach Polizeiangaben rund 60 Demonstranten gegen das Vorgehen des Sondereinsatzkommandos demonstriert. Nach Darstellung von Heshmat Tavakoli, Sprecher von Attac Mainz, waren es rund 100 Teilnehmer. "Asyl ist eigentlich ein Grundrecht, die Flüchtlinge werden aber entrechtet und kriminalisiert", kritisiert das "Bündnis gegen den Abschiebeknast Ingelheim".

Rund 30 Initiativen haben sich zu dem Bündnis zusammengeschlossen, darunter Attac. "Mit vier Meter hohen Mauern und Stacheldraht ist das Gefängnis schlimmer als eins für Verbrecher. Dabei haben die Insassen gar keine Straftat begangen," sagte Tavakoli der Frankfurter Rundschau.

Die Polizei gibt an, auf Deeskalation gesetzt zu haben. Das zweifelt das Bündnis an und kritisiert: "Wie dieses Deeskalationsverfahren aussieht, zeigte die Polizei um 17.30 Uhr: Polizeikräfte konnten die Flüchtlinge dazu bewegen, die Barrikaden abzubauen, um einige Personen für Verhandlungen nach draußen zu lassen. Diesen Augenblick nutzten Einsatzkräfte schamlos aus, um in den Trakt einzudringen und alle Insassen unter Kontrolle zu bringen."


Marokkaner noch immer in Ingelheim

ABSCHIEBEGEFÄNGNIS Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Gefangenenmeuterei

Vom 15.07.2009
 
INGELHEIM (sp). "Wir haben alles gut überstanden", versicherte gestern Stefan Mollner, Leiter der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige (GfA), auf Anfrage dieser Zeitung. Zwei Männer seien leicht verletzt worden und in die Anstalt zurückgekehrt, teilte Mollner mit. Die Rebellion der 22 Insassen wurde am Montagabend durch den Einsatz eines Sonderkommandos der Polizei beendet (die AZ berichtete). Die Insassen hatten sich mit einem Marokkaner solidarisiert, der an besagtem Vormittag abgeschoben werden sollte. Über den Verbleib des 25-Jährigen wollte sich Mollner nicht äußern. Eveline Dziendziol, Sprecherin der für die GfA zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier, sagte, dass der Vorfall zurzeit aufgearbeitet werde, um ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Sie bestätigte, dass der junge Marokkaner noch in Ingelheim ist.

Klaus Puderbach, Leitender Oberstaatsanwalt in Mainz, teilte mit, dass die Ermittlungen "unter dem Gesichtspunkt der Gefangenenmeuterei laufen". Für den Straftatbestand der Körperverletzung gebe es keine Anhaltspunkte. Allerdings werde auch wegen des Verdachts auf Nötigung und Freiheitsberaubung ermittelt, teilte die Polizei am Dienstagabend mit. Mehrere Personen aus dem Insassenkreis waren mit der Verbarrikadierung nicht einverstanden gewesen. Drei Personen seien als Rädelsführer aufgetreten. "Es wird das getan, was rechtlich möglich ist", stellt Puderbach klar.

In einer Pressemeldung forderte Daniel Köbler, Landesvorstandssprecher der Grünen Rheinland-Pfalz, die GfA "endgültig und für immer" zu schließen. "Die verzweifelten Barrikaden der Flüchtlinge im Abschiebegefängnis Ingelheim aus Solidarität mit einem Mithäftling, der sich gegen seine Abschiebung wehrte, zeigen einmal mehr, dass die Lebensumstände in der Anstalt unangemessen und unmenschlich sind." Die Landes-Grünen halten das Vorgehen der Einsatzkräfte" für mehr als fragwürdig", die zunächst Verhandlungen suggeriert hätten, um dann das erste Nachgeben der Verbarrikadierten zu nutzen und diese dann mit einem Sondereinsatzkommando "zu überrumpeln", sagt Köbler. Deeskalation sehe anders aus.

Amnesty International befürchtet nun eine Verschärfung der Haftbedingungen. In einer Presseerklärung äußert Flüchtlingsbeauftragte Maria Weber die Befürchtung, dass Gefangene, Anwälten und Betreuer mit Restriktionen zu rechnen hätten. Protestaktionen wie jetzt in Ingelheim hätten erfahrungsgemäß keinen Erfolg und gingen stattdessen "nach hinten los". Allerdings verstehe sie auch die Gefühle dieser Menschen, die verzweifelt seien und sich ungerecht behandelt fühlten. "Wir dürfen nicht vergessen, dass sie in einem Gefängnis eingesperrt sind", unterstrich Weber. Gleichwohl lehne Amnesty die Abschiebehaft nicht grundsätzlich ab, sehr wohl aber deren Praxis in Deutschland kritisch , fügte sie hinzu.