Kopftuchträgerin und Feindbild vieler Türken
Geschrieben von jnwwebmaster am August 20 2007 12:26:34

Hayrünnisa Gül

Kopftuchträgerin und Feindbild vieler Türken

"Ich bin eine moderne Frau", sagt Hayrünnisa Gül, Gattin des türkischen Außenministers. Doch ihr strenges Kopftuch und die arrangierte Ehe der Güls ist eine Provokation für die säkulare Türkei.
Von Kai Strittmatter

Hayrünnisa Gül
Hayrünnisa Gül
Foto: dpa
 

Hayrünnisa Gül ist eher scheu und gibt nur selten Interviews, trotzdem ist sie im Moment die meistdiskutierte Frau der Türkei.

Wenn die Gegner von Abdullah Gül belegen sollen, warum dieser bei der anstehenden Wahl nicht Präsident werden darf, zeigen sie mit dem Finger auf Hayrünnisa: Weil seine Ehefrau ein Kopftuch trägt, wiederholen sie wieder und wieder.

Manchmal platzt auch der scheuen Hayrünnisa Gül der Kragen. Als sie im Mai die niederländische Königin Beatrix empfing, da nutzte sie die Gelegenheit, der Presse Folgendes zu diktieren: "Das Kopftuch bedeckt meinen Kopf und nicht mein Hirn."


 
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Die Kleiderordnung war von den ersten Tagen der Republik an eine hochpolitische Angelegenheit. Der nach Europa strebende Mustafa Kemal Atatürk suchte sein Volk neu einzukleiden:

Pluderhosen mussten dem Anzug weichen, der Fes breitkrempigen Hüten, und das islamische Kopftuch galt von nun an als unschicklich für die zeitgenössische Frau. Seither trägt man in der Türkei die vermeintlich moderne Gesinnung auf dem Leib.

Heute tragen noch zwei Drittel aller Türkinnen ein Kopftuch, und doch hat die Türkei ein strengeres Kopftuchgesetz als jedes europäische Land. Kopftücher sind in allen öffentlichen Gebäuden und an den Universitäten verboten.

Eine bedeckte First Lady im Präsidentenpalast? Ein Sakrileg für viele Kemalisten. Hayrünnisa Gül stößt ihnen gleich doppelt auf:

Güls Ehefrau trägt das Kopftuch nicht wie nach alter türkischer Sitte locker unter das Kinn geknüpft, sondern nach arabischem Vorbild fest gebunden, wie dies in der Türkei erst in den 1980er Jahren bei den streng Religiösen Mode wurde.

Im Religionsunterricht hatte Hayrünnisa schon als Kind immer die besten Noten. Im August 1965 ist sie im konservativ-frommen Kayseri im Herzen Anatoliens zur Welt gekommen.

Auf einer Hochzeit lernte sie ihren zukünftigen Ehemann kennen. Offenbar haben die Eltern der beiden die Ehe arrangiert.

Auf Wunsch ihres Vaters verließ sie in der 9.Klasse die Schule, um Abdullah Gül zu heiraten. Ihr Ehemann war da 30 Jahre alt - sie selbst erst 15.

Doch scheint die Ehe glücklich zu sein. "Ich bin noch immer verliebt‘", gestand Hayrünnisa Gül vor fünf Jahren der Zeitung Hürriyet: "Er ist ein so schöner Mann."

Und dann sagte sie dies: "Mein Mann wird einmal das Schicksal der Türkei verändern."

Mit seiner Hilfe holte sie das Abitur nach und bestand 1998 die Aufnahmeprüfung an der Universität Ankara. Arabisch wollte sie studieren. Die Universität lehnte sie ab, wegen ihres Kopftuches.

Daraufhin klagte sie in Straßburg, zog die Klage jedoch zurück, nachdem ihr Ehemann Außenminister geworden war.

"Ich bin eine moderne Frau", sagte Hayrünnisa Gül im Frühjahr: "Ich habe Abdullah immer mit dem Auto zur Arbeit und die Kinder in die Schule gefahren."

Die Tochter der beiden, Kübra, hat gerade in Istanbul ihr Ingenieursstudium abgeschlossen - sie studierte mit Perücke. Die Klatschpresse berichtete vergangene Woche, Frau Gül habe nun den Modeschöpfer Atil Kutoglu beauftragt, ihr ein modischeres Kopftuch zu entwerfen.