Rede zur 6. Wetzlarer MontagsMahnwache
Geschrieben von jnwwebmaster am April 21 2011 07:28:36

 Fukushima ist überall!

Rede zur 6. Wetzlarer MontagsMahnwache

Ich komme von den Jusos, bin jetzt fast fertiger Abiturient, ziemlich gut in Physik, kann mich deshalb mit der Sache gut auseinandersetzen und halte mir zu Gute, dass ich ein Bisschen was von Atomkraft verstehe.

Da ich hier als Juso rede, will ich auch gerne mit einem ökonomischen Anfang anfangen. Denn ein Sozialist hat normalerweise auch ein Bisschen ökonomischen Verstand.

Wir haben für die Energieerzeugung zwei Möglichkeiten, entweder wir bauen ganz viele kleine Kraftwerke überall im Land, das ist dann dezentral, oder wir bauen dir ganz großen Klötze, wie die Kohlekraftwerke oder die Atomkraftwerke, die stehen dann an zentralen Plätzen.

Dezentrale Erzeugung hat den Effekt, dass die Gewinne überall im Land entstehen, dass es überall im Arbeitsplätze gibt usw. Zentrale Erzeugung hat den gegenteiligen Effekt, es gibt dann auch zentrale Gewinne, die gehen an die Leute, denen die Kraftwerke gehören. Wer ein Kraftwerk hat, hat normalerweise mehrere, in Deutschland gibt es z.B. diese vier Energieriesen, die euch allen bekannt sein dürften. Die bilden dann ein sogenanntes Kartell, d.h. sie schaffen sich selber billigen Strom, geben die niedrigen Preise aber nicht an die Bevölkerung weiter. Mit anderen Worten: Der Strompreis ist deutlich höher als er sein müsste, weil es nun einmal Absprachen gibt, wie z.B. bei den Tanksäulen jetzt aktuell bemerkbar sein dürfte. Wenn die Ferien anfangen, macht die Absprache den Preis am Benzin auch höher und genauso läufts beim Strom.

Diese höheren Preise enstehen aus dem niedrigen Wettbewerb, wenn man also das Dezentrale aufziehen würde, hätten wir höheren Wettbewerb, niedrigere Preise und darüber dürften sich am Ende alle freuen. Auch die, die jetzt für Atomkraft sind, weil sie ja angeblich so billig ist.


Vor einiger Zeit war unser lieber Oberbürgermeister Dette hier [auf dem Domplatz] und hat sich dann sehr schön auf die Arbeitsplätze bezogen, indem er begründet hat, dass im Grunde mehr Arbeitsplätze in der Atmokraft wären. Das ist in der Sache falsch.

Mehr Arbeitsplätze gibt es in den erneuerbaren Energien, zum einen weil neu entwickelt werden muss, zum anderen weil das dann gebaut werden muss. Hauptherstellungsort ist zur Zeit China, das können wir aber nach Deutschland holen, und in Deutschland haben wir dazu auch die modernsten Entwicklungen.

Es gibt auch noch die Rückbauindustrie, d.h. die ganzen Atomkraftwerke müssen abgebaut werden, da es ziemlich lange dauert, ein AKW abzubauen, sind noch lang, lange Leute in Lohn und Brot.

Und das Dezentrale hat noch einen zweiten Effekt, es wird nicht nur dezentral Energie erzeugt, sondern da wo ein kleines Kraftwerk steht, arbeiten auch wieder Leute, in dem Ort gibt es plötzlich einen Laden, gibt es wieder Ärzte – mit anderen Worten: Das ganze Land kriegt eigentlich mehr Arbeitsplätze.

Und als letzter der schöne Punkt, dass dann die hochqualifizierten Arbeiter alle ins Ausland abwandern; Das ist auch nicht der Fall. Wir haben zwar eine riesige Menge Arbeitslose, aber das sind normalerweise relativ niedrig qualifizierte Arbeiter, ab einer bestimmten Qualifikation gibt es mehr Arbeitsplätze als Arbeiter. Insofern haben wir für die Hochqualifizierten die jetzt im AKW arbeiten in Deutschland eingentlich auf einen Arbeiter zwei bis drei Jobs. Da wird niemand arbeitslos.


Beides ist subventioniert, Erneuerbare und Atomstrom, insofern ist es eingentlich egal, ob wir nun mehr darauf oder darauf legen, weil in beides Steuergeld hineingeht.

Was für die erneuerbaren Energien fehlt, was definitiv fehlt, sind Stromtrassen. Windkraftanlagen z.B. stehen hauptsächlich im Norden. Bis der Strom nach Bayern kommt, gibt es derzeit einen gehörigen Verlust. Diese Stromtrassen müssen noch gebaut werden, da sie innerhalb der letzten zehn Jahre vernachlässigt bzw. hintenangestellt wurden und nicht gebaut.

Das Problem an Stromtrassen ist hauptsächlich, dass es vor Ort dann Proteste gibt. Jetzt wenn man einfach mal so fragt, sind alle Leute dafür: Wir bauen das, wir bauen dezentrale Kraftwerke usw.

Problem ist, wenn es dann wirklich gebaut wird, geht es wie bei Rundfunkmasten: 'Ach nee, das ist ja vor Ort wieder schlimm', und es bilden sich Bürgerinitiativen dagegen, die dann natürlich den selben Effekt haben wie die gegen Atomkraft (erst mal keinen aber können ziemlich mächtig werden).


Jetzt möchte ich euch gerne Fragen, und seid ehrlich zu euch, ich möchte keine Antwort haben: Würdet ihr wirklich einen riesigen Strommast direkt neben eurem Wohnort haben wollen?

Ich persönlich hätte nicht viele Probleme damit, weil ich weiß, dass es ungefährlich ist, außer dass es Handys stört. Nur wie gesagt, normalerweise bilden sich Bürgerinitiativen dagegen.


Da wir eigentlich wegen Atomkraft da sind, möchte ich nochmal kurz auf Atomkraft eingehen: In Jülich in NRW stand ein Versuchsreaktor, und aus dem Versuchsreaktor (ist jetzt auf eine Anfrage der Grünen bekannt geworde) sind mehrere tausend Kugelbrennelemente verschollen, genau 2285. Dise Elemente enthalten insgesamt 2,2 kg Uran und 23 kg Thorium, Thorium muss nicht jedem etwas sagen, das ist der Stoff mit dem die Nazis versucht haben, eine Atombombe zu bauen. Wenn sie benutz wurden, ist auch noch Plutonium drin. Wahrscheinlich ist euch allen der Name Litwinenko noch ein Begriff, das ist der russische Agent, der vor einiger Zeit mit Plutonium vergiftet wurde1. Eine sehr geinge Menge an Plutonium ist extrem tödlich.

Diese Brennelemente sind wahrscheinlich aus dem Versuchsreaktor geborgen worden. Das Forschungszentrum Jülich hat erklärt, dass sie wüssten, wo das gesamte Material sei. Kugeln die während der Versuchsreihen entnommen wurden, wären untersucht worden, danach zerstört, einbetoniert und irgendwo eingelagert, wahrscheinlich im Zwischenlager Jülich.


Ander Kugeln sind im Reaktor verblieben. Und das ist meines Erachtens nach ein Skandal.

In Jülich steht ein ehemaliger Versuchsreaktor in dem zerborstene, während den Versuchen zerborstene, zerschlagene Brennelemente sind, die nicht geborgen werden können!

Und das in Deutschland, bei unserer wunderbaren Reaktorsicherheit und unseren genialen Atomkraftwerken.


Fazit Meinerseits ist, dass das berühmte "Restrisiko Mensch" auch in Deutschland noch existiert und dass das Profitstreben in Deutschland, auch in Forschungszentren, so stark ist, dass die Sicherheit vernachlässigt wird und dass die ganzen technischen Sicherheiten die ja angeblich in Japan in Fukushima auch gegeben waren, vernachlässigt werden. Inzwischen ist raus, das AKW Fukushima wurde geplant für Zentralnordamerika und damit nicht wirklich für Tsunamis ausgelegt.

Man hat zwar einen Tsunamischutz gebaut, aber er war nicht stark genug.


Einen kurzen juristischen Part habe ich noch, weil ich in der Schule darüber gestolpert bin und das einfach nicht für micht behalten kann:

In Art. 14 GG und Art. 45 HessVerf steht: "Eigentum verpflichtet".

Und in Art. 41 HessVerf steht, dass eigentlich Energie,(und Stahl usw., aber ich möchte nur auf die Energie eingehen), sozialisiert werden müsste. In der hessischen Verfassung steht, dass mit Inkrafttreten der hessischen Verfassung Energieerzeugung verstaatlicht wird. Meines Erachtens nach ist das nicht gegeben, obwohl es, ich habe es nachgeschlagen, im Grundgesetz erlaubt wäre. Das Grundgesetz muss es erlauben, da höheres Recht eigentlich niederes bricht, und sonst die hessische Verfassung nicht gülte. Es wäre erlaubt, und es wird nicht durchgesetzt; eigentlich handeln wir hier im Grunde ein Bisschen gegen die Verfassung.

Von der Theorie her müsste ja eigentlich staatliche Energieversorgungen mehr auf das Wohl der Bürger ausgelegt sein und weniger auf Profite. Insofern gäbe es, würde dieser Artiekel der Verfassund wieder in Kraft gesetzt, einen schnellerer Ausstieg bzw. einen schnellerer Aufbau der anderen Energieerzeugung.


Im Zusammenhang mit der Demonstration am Ostermontag ist aufgefallen, dass es um jedes AKW noch eine Todeszone gibt, das ist ein Bereich, für den kein Evakuierungsplan besteht. Will heißen, den ganzen Energieerzeugern ist eingentlich klar wie mordsgefährlich ein AKW ist, weil es eben für den innersten Bereich keinen Evakuierungsplan gibt, denn man geht nicht davon aus, dass die Leute die sich dort befinden, einen GAU überleben.

1Litwninenko wurde nicht mit Plutonium, sondern mit Polonium ermordet. Obschon der Vergleich falsch war, ist Plutonium dennoch bereits in geringsten Mengen tödlich. Dank für die Korrektur geht an Tim Brückmann.