Abschiebungshaft
Geschrieben von jnwwebmaster am February 24 2008 09:36:23
"Abschiebungshaft immer noch vorschnell“
Diakonie und Caritas ziehen Bilanz zum Rechtshilfefonds der
Abschiebungshaft Ingelheim


„Menschen werden oft immer noch vorschnell in Abschiebungshaft genommen.“
Mit diesen Worten fasste Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender
des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau (DWHN), die aktuelle Bilanz des
Rechtshilfefonds der Abschiebungshaft in Ingelheim zusammen, die das DWHN
und der Caritasverband der Diözese Mainz ziehen. Zwar gehen laut Gern die
Zahlen der in Ingelheim Inhaftierten zurück. Dennoch müsse die Härte im
System kritisiert werden, da Abschiebungshaft zu häufig und zu lang
verordnet werde, so der Diakonie-Chef für Hessen und Nassau.
62 Inhaftierte, die gegen die Anordnung der Abschiebungshaft rechtliche
Schritte eingeleitet hatten, erhielten einen Zuschuss aus dem
Rechtshilfefonds, den Diakonie und Caritas für solche Fälle zur Verfügung
stellen. „Knapp 40 Prozent dieser rechtlichen Interventionen haben zur
Freilassung geführt. Die betroffenen Personen waren rechtswidrig oder
rechtsfehlerhaft inhaftiert“, rechnete Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt
vor, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Mainz. Eine
für Eberhardt und Gern „unhaltbare Situation“. In 24 Fällen habe eine
Entlassung erreicht werden können, 38 Personen seien ab- oder
zurückgeschoben worden.
Diakonie und Caritas setzen sich daher unisono dafür ein, dass
Ausländerbehörden und Gerichte sorgfältiger prüfen, ob die Beantragung
beziehungsweise die Anordnung von Abschiebungshaft angemessen ist.
Abschiebungshaft dürfe nur als ultima ratio verhängt werden und sollte drei
Monate nicht übersteigen, so Gern und Eberhardt.

Gern und Eberhardt: Abschiebungen nach Griechenland aussetzen


„Zu einem großen, europäischen Verschiebebahnhof haben sich die so
genannten Dublin II- Fälle entwickelt,“ kritisierte Gern außerdem, „weil es
nur noch darum geht, in welches Land man die Menschen zurückschieben und
loswerden kann.“ Die Dublin II-Verordnung regelt auf Europaebene die
Zuständigkeit für Asylverfahren. Der Staat, der den Flüchtling als erstes
registriert hat, ist auch für ihn zuständig.
Aus der Beratungspraxis in Ingelheim wird in dem Zusammenhang von zwei
Flüchtlingen aus dem Irak zu berichtet, die über Griechenland nach
Deutschland gekommen waren. In Griechenland war es den Betroffenen zunächst
verweigert worden, einen Asylantrag zu stellen. Stattdessen waren sie dort
über Monate hinweg inhaftiert und misshandelt worden, bevor sie aus der
Haft entlassen wurden und nach Deutschland fliehen konnten. Hier wurden sie
wiederum wegen illegaler Einreise inhaftiert, um sie nach Griechenland, dem
Land, in dem sie zuerst registriert worden waren, zurückzuschicken. „Dieser
Verschiebebahnhof interessiert aber niemanden, da Deutschland ja formal
nicht zuständig ist. Hier werden Menschen und Verantwortung einfach
abgeschoben,“ so Gern und Eberhardt. Die Zustände seien bekannt, würden
aber aus politischer Rücksichtnahme nicht zur Kenntnis genommen werden.
Gern und Eberhardt forderten deswegen dazu auf, Abschiebungen nach
Griechenland auszusetzen, wie es einige europäische Länder schon getan
haben, vor einigen Tagen Norwegen, das unter Hinweis auf die unmenschlichen
Bedingungen in Griechenland keine Rückschiebungen mehr vollzieht.

Stichwort: Abschiebungshaft in Ingelheim

Die Abschiebungshaft in Ingelheim existiert seit Mai 2001. Sie hat 152
Haftplätze, zurzeit sind etwa 40 Männer und Frauen dort inhaftiert. Eine
fünf Meter hohe Betonmauer trennt die Insassen von der Außenwelt. Durch die
vergitterten Fenster in den Innengebäuden fällt der Blick auf dreifachen
Stacheldraht.

Stichwort: Rechtshilfefonds

Mit dem Rechtshilfefonds werden Verfahren teilfinanziert, um die Verhängung
von Abschiebungshaft zu überprüfen oder andere asyl- und
ausländerrechtliche Schritte einzuleiten. Der Rechtshilfefonds wird von
Diakonie und Caritas aus Eigenmitteln und aus Spenden finanziert.

Ein Beispiel für fehlerhafte und rechtswidrige Inhaftierung


Die junge Kenianerin N. reiste offiziell als Au pair nach Deutschland ein.
Bei dem Versuch, eine Freundin in Spanien zu besuchen, wurde sie am
Flughafen Hahn verhaftet. Obwohl sie einen gültigen Pass und gültige
Aufenthaltspapiere hatte, wurde ihr unterstellt, sie sei illegal eingereist
und halte sich illegal in Deutschland auf. Nach drei Wochen Haft wurde sie
abgeschoben. Später entschied das Landgericht, dass die Verhängung der Haft
rechtswidrig war. Dem Mädchen hatte dies nicht mehr geholfen.