Protest gegen die türkischen Militäraktionen
Geschrieben von jnwwebmaster am December 24 2007 06:41:33
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

die grenzüberschreitenden Militäraktionen der türkischen Armee seit dem 16. Dezember werden in Form von Erklärungen, Kundgebungen, Großdemonstrationen etc. protestiert. Im Folgenden geben wir zwei schriftliche Erklärungen, eine von der Kurdischen Frauenbewegung in Europa und die andere von Kurdistan Nationalkongress wieder. Es ist wirklich sehr wichtig die Proteste gegen diese rechtswidrige Militäraktionen der Türkei und die Forderung nach einer politisch-friedlichen Lösung der kurdischen Frage zu erhöhen. Wir wünschen ihnen trotzt dieser und ähnlicher negativen Entwicklungen frohe Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.


Mit freundlichen Grüssen

Cenî - Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.



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Erklärung der Kurdischen Frauenbewegung in Europa:

An die Medien und die Öffentlichkeit

Am 16. Dezember 2007 gegen 1 Uhr nachts griffen 50 Kampfflugzeuge sowie eine 500-köpfige Bodentruppe der türkischen Armee Südkurdistan (Nordirak) an. Angriffsziele waren u. a. 15 kurdische Dörfer sowie Zivilisten. Dabei wurden neben 5 kurdischen Guerillakämpfern zwei kurdische Frauen und Mütter getötet. Auch Schulen, Krankenhäuser und Straßen wurden getroffen und zerstört, außer der Natur auch über 100 Nutztiere. Diese Zerstörung wird von der türkischen Armee und der AKP-Regierung als „großer Erfolg“ verkauft.

Dabei hat der türkische Staat mit dieser rechtswidrigen grenzüberschreitenden Militäroperation nicht im Geringsten das erhoffte Resultat gegen die kurdische Guerilla erzielen können. Die Guerillakräfte konnten den Angriff abwehren und die Operation ins Leere laufen lassen. Aber wie immer ist es die Zivilbevölkerung, deren Leben und Lebensgrundlage zerstört wurde. Wir, die Kurdische Frauenbewegung in Europa, verurteilen diese rechtswidrigen und menschenverachtenden Angriffe des türkischen Staates, die mit Unterstützung der USA und des Iran sowie mit Wissen des Irak und der südkurdischen Kräfte durchgeführt wurden, auf das Schärfste.

Parallel zu den militärischen Angriffen wurde Nurettin Demirtas, der Co-Vorsitzende der Demokratischen Gesellschaftspartei (DTP), bei seinem Rückflug von Düsseldorf nach Ankara von türkischen Sicherheitskräften festgenommen und inzwischen verhaftet. Seit längerem hält die staatliche Repression gegen die DTP-Politiker an. Inzwischen gibt es kaum einen kurdischen Politiker, gegen den kein Verfahren läuft und nicht langjährige Gefängnisstrafen gefordert werden. Die Verfolgung der DTP ist erneut ein Beweis dafür, dass auch gewaltfreie Bestrebungen von Kurden, die sich auf legalem Wege für ihre Rechte einsetzen, mit militaristischer Politik und Repression überzogen werden.

Leider sind wir auch im 21. Jahrhundert Zeugen unglaublicher Massaker. So setzen der türkische Staat und die AKP-Regierung weiterhin auf eine militärische Lösung der kurdischen Frage, ohne je einen friedlichen politischen Lösungsweg in Aussicht zu stellen. Der türkische Luftangriff in Südkurdistan vom 16. Dezember ist der 25. seiner Art. Im Zeitraum von 1983 bis heute hat die Türkei insgesamt 25 grenzüberschreitende Militäroperationen nach Südkurdistan (Nordirak) durchgeführt. Wie die vorherigen hat auch der jüngste Angriff gezeigt, dass militärische Gewalt keine Lösung darstellen kann. Mit dem Angriff wurde lediglich erneut deutlich, dass weder die AKP-Regierung noch die politischen Kräfte, die sie unterstützen, ein Interesse an einer wirklichen Lösung der kurdischen Frage haben. Diese Vorgehensweise wird das Problem noch weiter in die Ausweglosigkeit treiben.

Nur durch eine verfassungsrechtliche Garantie der demokratischen Rechte und Freiheiten des kurdischen Volkes kann die kurdische Frage gelöst werden. Das setzt voraus, dass die politischen Vertreter des kurdischen Volkes sowie dessen Lösungsvorschläge beachtet und respektiert werden. Probleme können nur gelöst werden, wenn sie mit demokratischen, friedlichen und politischen Methoden angegangen werden. Die kurdische Frage kann nur gelöst werden, wenn die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik gegen das kurdische Volk ein für alle Male eingestellt wird.

Vor diesem Hintergrund appellieren wir an alle aufmerksamen Menschen, sich neben den Friedensbemühungen des kurdischen Volkes und gegen die Militäroperationen des türkischen Staates zu positionieren. Es ist sehr wichtig, diese Angriffe mit einer Steigerung des Friedenskampfes zu beantworten.

Als Kurdische Frauenbewegung in Europa rufen wir die Öffentlichkeit auf, diese Angriffe zu verurteilen und sich mit den kurdischen Frauen und mit dem kurdischen Volk zu solidarisieren, die eine friedliche, demokratische und politische Lösung für die kurdische Frage fordern und hierfür unermessliche Anstrengungen unternehmen.


19. Dezember 2007
Kurdische Frauenbewegung in Europa



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Erklärung des Kurdistan Nationalkongresses:


Appell
an die Öffentlichkeit



In den Nachtstunden des 16. Dezember 2007 wurde Südkurdistan (Nordirak) stundenlang von Kampfflugzeugen der türkischen Luftwaffe bombardiert. Nach eigener Aussage handelte es sich dabei um den umfassendsten Luftangriff der Türkei ihrer militärischen Geschichte. Parallel dazu wurden das türkisch-irakische Grenzgebiet von türkischer Artillerie und das iranisch-irakische Grenzgebiet von iranischer Artillerie angegriffen. In türkischen Stellungnahmen wurden die Guerillakräfte zum alleinigen Angriffsziel erklärt, doch war alles und jedes Lebewesen dazu gemacht worden.

Denn durch die Bombardements erlitt die Zivilbevölkerung den größten Schaden. Mehr als 10 Dörfer wurden angegriffen, drei unschuldige Zivilisten getötet und 11 zum Teil schwer verletzt. Außerdem wurden Dutzende Häuser, Schulen, Krankenhäuser zerstört und Hunderte Nutztiere vernichtet. Die Menschen in den Angriffsregionen mussten trotz der Winterbedingungen die Flucht ergreifen. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge haben am ersten Tag 1800 Menschen ihre Dörfer verlassen müssen. Diese Zahl steigt mit jedem Tag.

Die Luftangriffe werden nun auch mit Bodentruppen ergänzt. Nach türkischen Verlautbarungen werden die Operationen noch ausgeweitet werden. Der Luftraum des Irak unterliegt der Kontrolle und Verantwortung der USA. Diese Operationen wurden mit Zustimmung und Unterstützung der USA durchgeführt. Deren Haltung ist unmoralisch und inakzeptabel.

Das Problem ist die kurdische Frage. Es resultiert daraus, dass die Türkei sie mit Gewalt zu unterdrücken versucht. Aus diesem Grunde tobt in der Region seit mehr als 23 Jahren ein Krieg. Die kurdische Seite ist für eine friedlich-demokratische Lösung innerhalb der Staatsgrenzen der Türkei. Kürzlich unterbreitete die KCK (Nachfolgeorganisation der PKK) am 1. Dezember ein sieben Punkte umfassendes Projekt der Demokratischen Lösung. Sie bekundete ihre Bereitschaft, die Waffen für immer niederzulegen, sofern die aufgeführten Punkte beantwortet werden würden.

Aber die Antwort des türkischen Staates bestand in den – nach eigener Aussage – umfassendsten Luftangriffen und Bombardierungen seiner Geschichte. Innerhalb der eigenen Grenzen werden ohnehin jeden Tag Militäroperationen durchgeführt, nun werden diese auch grenzüberschreitend ausgeweitet. Daneben hat die staatliche Repression gegen das Volk und seine demokratischen Institutionen ihren Höhepunkt erreicht. Festnahmen und Folter sind alltäglich geworden. Zuletzt wurde am 18. Dezember der Co-Vorsitzende der Demokratischen Gesellschaftspartei Nurettin Demirtas unter einer haltlosen Beschuldigung verhaftet.

Das kurdische Volk soll mit Repressionen, Einschüchterung, Tod und Assimilation aus der Geschichte ausradiert werden. Ein Volk, dessen Bevölkerungszahl sich allein in der Türkei auf 20 Millionen beläuft, wird verleugnet, seine Sprache und Kultur werden verboten, seine Werte mit Füßen getreten, jeder Rechtsanspruch wird mit Gewalt unterdrückt, und wenn sie sich dagegen wehren, werden sie als terroristisch diffamiert. Traurig an all dem ist, dass politische Kräfte wie USA und EU, die eine demokratische Gesinnung nur für sich reklamieren, diese Politik der Türkei aus ökonomischen und regionalen Interessen unterstützen und ihre Ohren gegen den kurdischen Aufschrei verschließen.

Die jüngste Militäroperation der Türkei wurde mit Zustimmung und Geheimdienstinformationen und -technik der USA durchgeführt, was von diesen selbst eingeräumt wird. Die EU hingegen legitimiert diese Politik und Angriffe der Türkei, indem sie erklärt, sie könne das Sicherheitsbedürfnis der Türkei nachvollziehen und diese habe das Recht zur Verteidigung ihrer Bevölkerung (dabei ist es das kurdische Volk, das angegriffen wird). Auf diese Weise tragen sie ebenfalls Verantwortung dafür, dass die kurdische Frage ungelöst bleibt. Ist es nicht legitim, dass die Kurden sich verteidigen, deren Existenz von der Türkei verleugnet wird, denen alle Rechte versagt bleiben, die täglich angegriffen und gefoltert, zur Flucht getrieben werden? Wenn die Kurden ihre Existenz gegen all diese Angriffe verteidigen, so werden sie als Terroristen beschuldigt und in Listen mit entsprechenden Organisationen aufgenommen – das ist doppelte Moral.

Das kurdische Volk wird angegriffen, seine Existenz ist gefährdet, es ist einem Genozid auf Raten ausgesetzt. Vor etwa 90 Jahren wurden Armenier, Assyrer und Griechen aus Anatolien durch dieselbe Mentalität vernichtet. Heute wird vor den Augen der Weltöffentlichkeit eben diese Politik gegen das kurdische Volk angewandt.

Unser Appell richtet sich an alle. Sehen Sie nicht zu, wie die Forderungen eines Volkes nach Freiheit und Demokratie so tragisch zerstört werden. Lassen wir nicht zu, dass universelle menschliche Werte staatlichen Interessen zum Opfer fallen. Solidarisieren Sie sich mit dem kurdischen Volk, das mit Lynch- und Vernichtungsoperationen eliminiert werden soll. Wenn heute die notwendige Solidarität ausbleibt, kann es morgen für alle zu spät sein.



Kurdistan Nationalkongress
19.12.2007


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