PRO ASYL zur Asylstatistik 2010
Geschrieben von jnwwebmaster am January 19 2011 06:37:44

PRO ASYL zur Asylstatistik 2010

Stärkerer Anstieg der Asylantragstellerzahlen, sinkende Schutzquote

PRO ASYL kritisiert personelle Fehlplanung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Die von der Süddeutschen Zeitung vorab veröffentlichte Asylstatistik für das Jahr 2010 weist eine Zunahme der Asylantragszahlen auf 41.332 Fälle aus (2009: 27.649). Einer der wesentlichen Gründe für den seit Jahren erstmalig signifikanten Anstieg ist die Tatsache, dass sich die Situation in einigen Kriegs- und Krisenstaaten weiter verschärft hat, so z.B. im Iran, in Afghanistan, im Irak und in Somalia.

Dass Serbien und Mazedonien auf Platz 3 und 4 der Herkunftsstaaten stehen, verweist auf extreme Armut und fortdauernde Ausgrenzung, unter denen insbesondere Roma in diesen Staaten leiden. Viele hofften nach dem Wegfall der Visumspflicht, dem Elend entkommen zu können. Politischer Druck auf die Herkunftsländer hatte schärfere Ausreisekontrollen zur Folge, was sich im Ergebnis in einem Rückgang der Asylneuantragstellerzahlen im November und Dezember zeigte.

PRO ASYL kritisiert Äußerungen des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, zur zunehmenden Dauer der Asylverfahren. Er hatte dies damit begründet, die Kapazität des Bundesamtes sei für rund 19.000 Asylsuchende ausgelegt und könne nicht kurzfristig aufgestockt werden. Natürlich muss das Bundesamt auf die gestiegenen Zahlen reagieren, damit die Verfahrensdauern, die sich bereits seit einiger Zeit ausweiten, nicht noch länger werden. Es stellt sich jetzt heraus, dass Schmidts Amtsvorgänger offenbar seine Personalplanung auf der Basis von Asylantragszahlen betrieben hat, die selbst in den langen Jahren ihres historischen Tiefstands immer über 19.000 lagen. Dem Bundesamt scheint eine Zunahme der Zahl der Asylsuchenden so undenkbar wie der Deutschen Bahn die Existenz des Winters. Ohne Personalreserve vernachlässigt das Bundesamt zwangsläufig eine seiner Kernaufgaben.

Nachdem das Bundesamt seit Jahren seine Kapazitäten im Integrationsbereich erhöht und die Sachbearbeiter für Asylverfahren reduziert hat, darf man gespannt sein, welche anderen Lösungen der Bundesamtschef parat hält. Zu Lasten der Asylsuchenden dürfen sie jedenfalls nicht gehen. Die in früheren Jahren gängige Praxis, das Arbeitspensum der Asylsachbearbeiter einfach heraufzusetzen und damit die Qualität der Entscheidungen in Frage zu stellen, wäre inakzeptabel.

Die Statistik 2010 legt auch nahe, dass zwischen Zugangszahlen und Anerkennungsquoten ein Zusammenhang zu bestehen scheint. War bis vor einiger Zeit – bei einem niedrigen Niveau der Zahlen von Asylneuantragstellungen – die Entscheidungspraxis relativ generös, so begannen die Anerkennungsquoten bereits im Jahr 2010 signifikant zu sinken. Den Trend wird auch die offiziell noch immer ausstehende Bundesamtsstatistik belegen. Bis Ende November 2010 war die Schutzquote (=Summe aller positiven Entscheidungen) bei 22,2 Prozent und dies hat keineswegs nur mit den schlechten Chancen von serbischen und mazedonischen Asylantragstellern zu tun. Auch irakische und afghanische Asylsuchende hatten wesentlich geringere Chancen auf eine positive Entscheidung als im Vorjahr.

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41.332 Asylanträge im Jahr 2010

Im Jahr 2010 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 41.332 Asylerstanträge gestellt, 13.683 mehr als im Jahr 2009.

Im Jahr 2010 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 41.332 Asylerstanträge gestellt, 13.683 mehr als im Jahr 2009.

Die Steigerung der Zahl der Asylbewerber um etwa 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009 ist im Wesentlichen auf den vermehrten Zugang aus den Hauptherkunftsländern, hier vor allem aus Afghanistan, Serbien, Iran, Mazedonien und Somalia, sowie auf die weiterhin relativ hohen Zugangszahlen aus dem Irak zurückzuführen. Allein 71 Prozent aller Asylbewerber im Jahr 2010 kamen aus den zehn Hauptherkunftsländern.

Damit stiegen die Asylbewerberzahlen nach dem Tiefstand im Jahr 2007 (19.164 Erstanträge) bereits im dritten Jahr hintereinander an.

Insgesamt 7.704 Personen erhielten im Jahr 2010 die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Konvention (16,0 Prozent aller Asylbewerber). Zudem erhielten 2.691 Personen (5,6 Prozent) sogenannten "subsidiären Schutz" (Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 Aufenthaltsgesetz).

Hierzu erklärt Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière:

"Asyl und Flüchtlingsschutz haben in Deutschland einen hohen Stellenwert. Politisch Verfolgte können daher darauf vertrauen, in Deutschland eine sichere Aufnahme zu finden, wenn sie als Asylberechtigte oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt werden.

Im Jahr 2010 haben allerdings vermehrt Personen insbesondere aus Serbien und Mazedonien Asyl begehrt, bei denen die Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlagen. Derartige Asylanträge wurden und werden auch künftig konsequent und zügig abgelehnt, um die Dauer des unrechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland und die mit diesem verbundene Belastung der öffentlichen Haushalte möglichst zu minimieren."

Die Zahlen im Einzelnen:

I.     Gesamtes Jahr 2010

In der Zeit von Januar bis Dezember 2010 haben insgesamt 41.332 Personen in Deutschland Asyl (Erstanträge) beantragt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr (27.649 Personen) bedeutet dies eine Steigerung um 13.683 Personen (49,5 Prozent).

Die Monatsentwicklung im 2-Jahres-Vergleich verlief wie folgt:

 2009 2010
Januar2.3422.659
Februar1.9362.361
März1.9952.673
April1.9192.393
Mai1.8352.343
Juni1.9522.800
Juli2.5393.268
August2.4483.936
September2.6094.535
Oktober2.6374.755
November2.4544.599
Dezember2.1703.699

(Durch nachträgliche Berichtigungen weichen die Gesamt-Jahreszahlen von den Additionen der Monatszahlen ab)

Die Hauptherkunftsländer 2010  waren:

    Veränderungen
  2009 2010 in %absolut
1.Afghanistan3.3755.90575,02.530
2.Irak6.5385.555-15,0-983
3.Serbien5814.978756,84.397
4.Iran1.1702.475111,51.305
5.Mazedonien1092.4662.162,42.357
6.Somalia3462.235456,01.889
7.Kosovo1.4001.61415,3214
8.Syrien8191.49081,9671
9.Türkei1.4291.340-6,2-89
10.Russ. Föd.9361.19928,1263

Im Zeitraum von Januar bis Dezember 2010 hat das Bundesamt 48.187 Entscheidungen (Vorjahr: 28.816) getroffen.

Insgesamt 7.704 Personen (16,0 Prozent) wurde die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) zuerkannt. Darunter waren 643 Personen (1,3 Prozent), die als Asylberechtigte nach Art. 16a des Grundgesetzes anerkannt wurden, sowie 7.061 Personen (14,7 Prozent), die Flüchtlingsschutz nach § 3 des Asylverfahrensgesetzes i.V.m. § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erhielten.

Dies ergibt bei entsprechender Aufschlüsselung nach Herkunftsländern (in Prozent):

Flüchtlingsanerkennungen (in %), davon: Asylberechtigt Flüchtlingsschutz     

Flüchtlingsanerkennungendarunter
 Asylberechtigt Flüchtlingsschutz
Gesamt 16,01.314,7
Afghanistan11,30,311,0
Irak50,30,449,9
Serbien0,00,00,0
Iran49,49,040,4
Mazedonien0,00,00,0
Somalia41,40,041,4
Kosovo0,40,00,4
Syrien15,61,114,5
Türkei11,63,68,0
Russ. Föd.15,30,514,8

Darüber hinaus hat das Bundesamt von Januar bis Dezember 2010 bei 2.691 Personen (5,6 Prozent) Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (sog. subsidiärer Schutz) festgestellt, z.B. weil im Herkunftsland die Todesstrafe, die Folter oder eine andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder persönliche Freiheit konkret droht. Dies ergibt bei entsprechender Aufschlüsselung nach Herkunftsländern (in Prozent):

Abschiebungsverbote Gesamt 5,6
Afghanistan32,5
Irak2,0
Serbien0,6
Iran2,8
Mazedonien0,2
Somalia9,4
Kosovo3,1
Syrien2,4
Türkei1,2
Russ. Föderation5,3

Abgelehnt wurden die Anträge von 27.255 Personen (56,5 Prozent). Anderweitig erledigt (z.B. durch Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme des Asylantrages) wurden die Anträge von 10.537 Personen (21,9 Prozent).

Die Zahl der Personen, über deren Anträge noch nicht entschieden wurde, betrug Ende Dezember 2010 23.289 (19.753 Erstanträge und 3.536 Folgeverfahren).

Im Jahr 2010 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neben 41.332 Erstanträgen auch 7.257 Asylfolgeanträge gestellt (2009: 27.649 Erst- und 5.384 Folgeanträge). Hauptherkunftsländer bei den Folgeanträgen waren Serbien (1.817), Mazedonien (1.081) und Kosovo (589). Der Anteil der Asylfolgeanträge an allen Asylanträgen lag damit bei 14,9 Prozent. Im Jahr 2009 lag der Anteil der Folgeanträge noch bei 16,3 Prozent.

Entwicklung der Asylbewerberzahlen der Hauptherkunftsländer: 

Im Jahr 2010 stieg die Zahl der Asylerstanträge gegenüber dem Vorjahr bei 8 von 10 Hauptherkunftsländern zum Teil sehr deutlich an, und zwar um zwischen 15 (Kosovo) und 2.162 (Mazedonien) Prozent. Nur bei Irak (-15 Prozent) und  der Türkei (-6 Prozent) gab es jeweils einen geringen Rückgang.

Stärkstes Herkunftsland im Jahr 2010 war Afghanistan. Der Asylbewerberzugang stieg von 3.375 Erstanträgen im Jahr 2009 auf nunmehr 5.905 Erstanträge.

Auf Platz 2 der Hauptherkunftsländer im Jahr 2010 lag derIrak (5.555 Erstanträge). Die Zahl der Asylerstanträge sank um 983 (-15 Prozent). Etwa die Hälfte der Antragsteller waren Kurden.

Serbien lag auf Platz 3 der Hauptherkunftsländer. 2010 kamen insgesamt 4.978 Asylerstantragsteller, 4.397 mehr als im Vorjahr (+757 Prozent). Zudem entfielen 25 Prozent (1.817) aller Asylfolgeanträge auf Serbien.

Ebenfalls sehr deutliche Steigerungen bei den Asylzugängen 2010 waren aus dem Iran (+1.305 Erstanträge, Steigerung um 111 Prozent gegenüber 2009), Mazedonien (+2.357 Erstanträge, damit 2.162 Prozent mehr als im Vorjahr) und Somalia (+1.889 Erstanträge, 546 Prozent mehr als im Vorjahr) zu beobachten.

Zudem entfielen 15 Prozent (1.081) aller Asylfolgeanträge auf Mazedonien, das bei den Asylfolgeanträgen Platz 2 hinter Serbien (1.817) und vor dem Kosovo (589) belegt.

Bei Betrachtung der letzten 5 Jahre ist auffällig, dass der Anteil der zehn Hauptherkunftsländer an allen Asylbewerbern stetig steigt. Lag der Anteil der Top 10 des Jahres 2006 noch bei 55 Prozent, so konzentrierten sich im Jahr 2010 bereits 71 Prozent aller Asylbewerber auf die 10 Hauptherkunftsländer.

II. Zahlen für den Dezember 2010

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben im Dezember 2010 3.699 Personen (Vormonat 4.599 Personen) Asyl beantragt.

Damit ist die Zahl der Asylbewerber gegenüber dem Vormonat um 900
(-19,6 Prozent) gesunken. Gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr (Dezember 2009: 2.170 Personen) ist die Zahl der Asylbewerber im Dezember 2010 um 1.529 (70,5 Prozent) gestiegen.

 

Hauptherkunftsländer im Dezember 2010 waren:

                                                               Zum Vergleich
  OktoberNovemberDezember
 1.Serbien1.0831.159711
 2.Afghanistan545494596
 3.Irak393399432
 4.Iran290219240
 5.Kosovo121240174
 6.Syrien152130151
 7.Mazedonien746512131
 8.Türkei9599114
 9.Eritrea6955107
10.Russ. Föderation10912595

Neben den 3.699 Erstanträgen wurden im Dezember 2010 583 Folgeanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt.

Im Dezember 2010 hat das Bundesamt über die Anträge von 4.356 Personen (Vormonat: 5.670) entschieden.

Insgesamt 500 Personen (11,5 Prozent) wurde die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) zuerkannt. Darunter waren 42 Personen (1,0 Prozent), die als Asylberechtigte nach Art. 16a des Grundgesetzes anerkannt wurden, sowie 458 Personen (10,5 Prozent), die Flüchtlingsschutz nach § 3 des Asylverfahrensgesetzes i.V.m. § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erhielten.

Darüber hinaus hat das Bundesamt im Dezember 2010 bei 167 Personen (3,8 Prozent) Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (sog. subsidiärer Schutz) festgestellt.

Abgelehnt wurden die Anträge von 2.793 Personen (64,1 Prozent). Anderweitig erledigt (z.B. durch Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme des Asylantrages) wurden die Anträge von 896 Personen (20,6 Prozent).

Erscheinungsdatum
17.01.2011