Der Kommentar
Hungerstreik zu einem zukunftsträchtigen Dialog
im türkisch-kurdischen Konflikt nutzen
Hunderte kurdischer, politischer Gefangene fasten seit nunmehr
über 50 Tagen, 10.000 Kurden und Kurdinnen haben sich seit
dem 5. November 2012 angeschlossen. Ihre Aktion ist sehr
ehrenwert, sie schießen nicht, sondern wenden eine gewaltfreie
Form an, um ihre Forderungen zu vertreten. Ihr Verhalten unter
Einsatz ihres Lebens erinnert an die gewaltlosen Aktionen
Gandhis.
Ihre Forderungen sind menschenrechtlich begründet, so der
Gebrauch ihrer Muttersprache vor Gericht. Sie zielen nicht auf
Konfrontation, sondern auf die Eröffnung von Wegen zur zivilen
Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts; so wenn sie die
Aufhebung der Isolationshaft ihres Führers Abdullah Öcalan
verlangen, damit dieser bei einer friedlichen Lösung eine
wichtige Rolle spielen kann.
Wir stimmen dem Staatspräsidenten Gül in seiner Aussage zu,
die Lösung dieses Konflikts sei die wichtigste Aufgabe der
Türkei. Wir sagen: Jeder der sich darum bemüht und
Konfrontation in Kooperation verwandelt, leistet der türkischkurdischen
Gesellschaft und ihrer demokratischen Entwicklung
einen nobelpreisverdächtigen, großen Dienst. Keiner verliert sein
Gesicht, wenn er auf diesem Wege den ersten Schritt tut und
mutig voranschreitet. Es wäre wohl die größte Leistung seit der
Gründung der Türkei, endlich diese Kluft zu überwinden und
Gemeinsamkeit in der vielfältigen Gesellschaft herzustellen.
Mit dem gewaltfreien Hungerstreik wird ein Neubeginn für die
Bearbeitung dieser großen Aufgabe möglich, wenn die türkische
Regierung angemessen auf die vorgetragenen Forderungen
eingeht und beide Seiten sich ehrenhaft und verlässlich um die
Bildung von gegenseitigem Vertrauen und damit um die
Voraussetzung für eine Lösung des Konflikts bemühen.
Auch Deutschland darf nicht zögern, seine Zustimmung und
Unterstützung zu einer Verständigung zu leisten.
Andreas Buro
Friedenspolitischer Sprecher des Komitee für Grundrechte und
Demokratie e.V. Koordinator des Dialog-Kreises: „Die Zeit ist reif
für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und
Kurden“
Matthias Jochheim
Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für
die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung
e.V. (IPPNW)
Gastkommentar
Ach, könnten wir doch nur zu den 90ern zurückkehren
Von Kadri Gürsel
In den 90ern hatte die kurdische Frage noch keine politische
Gestalt angenommen. Die kurdische Frage der Ära 2010 ist
jedoch eine politische. Man kann sagen, was man will, die
kurdische Frage und die PKK lassen sich nicht mehr
auseinander trennen. Sie separat voneinander zu behandeln, ist
nicht möglich. In der ersten Hälfte der 90er war es das noch.
In den 90ern wurde die kurdische Frage auch noch nicht von
einer solch großen Masse getragen. In der Ära 2010 stehen wir
der kurdischen Frage als einem Massenphänomen gegenüber.
Die kurdische Bewegung verfügt über eine politisierte und
organisierte Basis, die, wie sie fühlt und denkt, ihre politische
Gewalt und ihren Terrorismus für legitim hält und sie unterstützt.
Diese Leute sind wie Sie und ich, Bürger der Türkischen
Republik.
In den 90er Jahren lag der Schwerpunkt der kurdischen Frage
auf dem Lande, in den Bergen. Beginnend mit der
demographischen Veränderung durch die Vertreibung aus den
Dörfern in den 90ern und weiteren dynamischen Faktoren, hat
die kurdische Frage der Ära 2010 ihren Schwerpunkt in die
Städte verlagert. Darauf haben die politischen Machthaber, auf
ihr „Konzept der Sicherheitspolitik“ gestützt, mit den KCK-
Operationen reagiert. Trotz dieses Vorgehens müssen wir zur
Kenntnis nehmen, dass (der Erfolg dieser) durch einen vierten
Umstand zunichte gemacht wird.
(Denn) die kurdische Frage der Türkei hat sich regionalisiert...
Die PKK hat in den 90ern Syrien, den Iran und Irak eigentlich nur
als Hinterland betrachtet. Heute sehen wir, dass die PKK seit der
Ära 2010 eine Massenbasis bei der kurdischen Bevölkerung
dieser drei Länder gefunden hat, ja mehr noch, in den Gebieten
Syriens, in denen die Kurden die Mehrheit stellen, haben sie die
Kontrolle an sich gerissen.
Die PKK-Militanten können sich in insgesamt vier Ländern, dazu
gehört auch die Türkei, grenzübergreifend bewegen.
Die PKK hat in der Region eine strategische Tiefe erlangt.
Im Unterschied zu den 90ern steigern all diese Faktoren die
Bedrohung der türkischen Sicherheit mit inakzeptablem Ausmaß.
In den 90ern war die PKK eine illegale bewaffnete Organisation,
heute ist sie eine illegale militärische Kraft, mit der Qualität eines
„regionalen Akteurs, wenn auch ohne Staat“. (....)
Die Türkei hat gegenüber der kurdischen Frage im eigenen Land
Ende der 90er die Initiative ergriffen, indem sie die syrische
Unterstützung der PKK zunichtemachte. Aber diese Chance hat
sie nicht zu nutzen gewusst, hat sie vertan.
2012 hat die Türkei die Initiative über ihre eigene kurdische
Frage verloren. Solange diese Außenpolitik so fortgesetzt wird,
wird sie, auch wenn sie es wollte, die kurdische Frage nicht lösen
können. Denn der Schüssel dazu liegt wiederum in Syrien. In der
Politik gegenüber Syrien.
In den 90ern zeigte die Drohung, „Soldaten nach Syrien zu
schicken“, Wirkung. 2012 wird sie Wirkung zeigen, sollten wir
uns aus dem Sumpf befreien können, in den wir gerieten, auch
ohne Soldaten dorthin geschickt zu haben.
Der Weg, die Initiative zurück zu gewinnen, ist abhängig von
einer Veränderung der gesamten Außenpolitik und beginnt bei
Syrien.
Was sucht Fatih Sultan Mehmet in Syrien?
Die von Ankara seit September 2011 verfolgte Syrienpolitik sah
vor, das Baath-Regime mit jeglichem Mittel, inklusive dem Krieg,
zu stürzen und im gesamten Land eine Herrschaft der
Moslembruderschaft zu installieren. Eine der Haupttaktiken der
Strategie zum Sturz des Regimes bestand darin, mit Hilfe „der
syrischen Flüchtlingskrise“ in der Türkei eine humanitäre [Krisen]
Situation zu schaffen und diese dann zur Begründung für die
Einrichtung einer Sicherheitszone in Syrien heranzuziehen. Mit
der „Taktik der Sicherheitszone“ würde Syrien teilweise besetzt
werden, auf diese Art würde ein enormer militärischer Druck auf
das Regime ausgeübt und letztlich die Baathisten gestürzt
werden können.
Um Herr der Syrischen Ordnung zu sein -um der Vorreiter der
Veränderung zu sein- hätte die Türkei notfalls auch Krieg geführt.
Diese Politik ist, Gott sei’s gedankt, gescheitert.
Die anderen Taktiken, die Ankara zum Sturz des Regimes in
Damaskus verfolgte, waren gespickt mit Maßlosigkeiten und
Übertreibungen. Mit bloßem Auge war zu erkennen, dass Ankara
vergaß, jegliche Vorsicht walten zu lassen, während es die
syrische Opposition koordinierte, ihr Obdach gewährte, sie mit
Waffen ausstattete, auch wenn sich kurzfristig diese riskante
Methode sogar als erfolgreich erwies...
Seit dem ist ein Jahr vergangen und nicht eine der Erwartungen
Ankaras hat sich erfüllt. Stattdessen hat die Türkei durch diese
abenteuerliche, diese utopische, diese fanatische Außenpolitik
großen Schaden genommen.
Der größte Schaden besteht darin, dass sich die kurdische Frage
in den letzten Monaten zunehmend militarisiert hat und jeder
Kontrolle entglitten ist. Dazu tragen vor allem die Nachbarn im
Süden und Osten bei, die vor allem in der Syrienpolitik der Türkei
eine feindliche Haltung sehen wollen.
Desweiteren vertieft die Syrienpolitik der Regierung die
Spannungen zwischen Sunniten und Alawiten, destabilisiert die
Region Hatay.
Lassen wir das alles einmal beiseite, Umfrageergebnisse zeigen,
dass es der regierenden AKP nicht einmal gelungen ist, ihre
eigenen Wähler von der Richtigkeit und dem Erfolg ihrer
Syrienpolitik zu überzeugen.
Zum ersten Mal gelingt es der regierenden AKP nicht, mit Hilfe
der Außenpolitik das politische Gleichgewicht und die politische
Kultur des Landes in der von ihr gewünschten Weise zu
verändern.
Ein Wechsel in der Syrienpolitik ist unvermeidlich.
Unter einer Veränderung sollte aber natürlich nicht verstanden
werden, dass die Türkei gegenüber diesem Mörder-Regime auf
Neutralität(-skurs) einschwenken soll...
Ganz im Gegenteil bedeutet Veränderung die Ausrichtung des
praktischen Handelns auf den Rahmen des Legitimen und
Gesetzlichen, und deren Lancierung durch eine moderatere und
diplomatischere Rhetorik.
Ob das mit der vorhandenen personellen Besetzung zu schaffen
ist, bezweifele ich. Bis auf einige Ausnahmen hat es die
islamische Bewegung leider nicht geschafft, Konservative mit
Tugend und Scharfsinn hervorzubringen.
Auf der anderen Seite gibt es keinen Grund, die vorhandenen
Flüchtlingslager nicht den Vereinten Nationen zu überantworten,
um so den Schatten von der Türkei zu nehmen.
Es ist nicht unmöglich, den Eindruck zu zerstreuen, die Türkei
wäre internationaler Tummelplatz von Al-Kaida und
Dschihadisten geworden.
Gleiches gilt im Hinblick auf eine vertrauensfördernde Rhetorik
gegenüber Russland und dem Iran, aber auch für das
gemeinsame Vorgehen in Bezug auf die Zukunft Syriens.
Wie auch immer, die Verlegung des Hauptquartiers der Freien
Syrischen Armee (FSA) aus der Türkei nach Syrien, war
zumindest schon einmal ein wichtiger Schritt.
Aber bitte beantwortet um Gottes Willen zuvor folgende Frage:
Was hatten denn bloß “Fatih Sultan Mehmet” und “Sultan
Abdülhamit” in Syrien zu tun?
Dies sind Namensgebungen von der FSA angebundenen
Einheiten der syrischen Turkmenen.
“Fatih” steht in Anspielung auf das Osmanische (Reich),
“Abdülhamit” für das Islamische. Wenn sie dann noch eine dritte
Einheit gründen sollten, und sie in Anlehnung an die Sunniten
“Yavuz Sultan Selim” nennen würden, dann wären mit den
Namen die drei Arten tragischer Politik vollständig.
Durch solch ultra-romantische und laienhafte Namensgebung
wird die kleine Minderheit der Turkmenen in Syrien als
ortsansässiger Komparse des „Neo-osmanischen Imperialismus“
aufgefasst, und wenn sie dann im Bürgerkrieg Unterdrückung
erleiden muss, haben das jene zu verantworten, die sich den
Schnitzer mit diesen verfluchten Namen erlaubt, und jene, die
dazu geschwiegen haben.
Gibt es denn in Ankara niemanden mit Weitblick, der diesen
Super-Schlauen sagen könnte: “Seid ihr euch darüber im Klaren,
was ihr da macht?“
Die syrischen Turkmenen haben keinen Bedarf am Osmanismus
und auch nicht am Islamismus. Sie bedürfen der Modernisierung,
der Reformen, der Demokratie und der Minderheitenrechte.
Ihr könntet einen Wechsel eurer Syrien-Politik damit beginnen,
indem ihr dies erkennt.
(Milliyet; 23./24.9.12, ISKU)
Hungerstreikende Gefangene nähern sich dem Tode
Am 30. Jahrestag des Militärputsches in der Türkei begann
erneut ein Hungerstreik von politischen Gefangenen in
türkischen Gefängnissen, der sich Tag für Tag weiter ausbreitet
und ein kritisches Ausmaß erreicht hat.
Seit dem 12. September 2012 befinden sich etwa 700 Mitglieder
der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Partei der Freien
Frauen Kurdistans (PAJK) in über 60 Gefängnissen im
unbefristeten Hungerstreik. Der Gesundheitszustand der
Hungerstreikenden verschlechtert sich gravierend.
Obwohl der Hungerstreik eine lebensbedrohliche Phase erreicht
hat, hüllt sich die türkische AKP-Regierung in Schweigen und
Premier Erdogan bezeichnet das Ganze als Show.
Demgegenüber erklärten SprecherInnen der Gefangenen, dass
sie den Hungerstreik noch weiter ausweiten. Und dies geschah.
Seit dem 5. November schlossen sich etwa 10.000 kurdische
Gefangene dem Hungerstreik an.
In einer Erklärung der PAJK-Gefangenen aus dem Gefängnis
von Diyarbakir heißt es: “Seit Juli letzten Jahres ist Herr Öcalan
unvergleichlichen Isolationshaftbedingungen ausgesetzt, sowohl
gegen die kurdische Zivilbevölkerung als auch gegen die Guerilla
werden Vernichtungsoperationen durchgeführt, PolitikerInnen
sollen durch die ‘KCK-Operationen’ ausgeschaltet werden.
Roboski war kein Unfall, (wo 34 Zivilisten, mehrheitlich Kinder
durch Luftwaffe ermordet wurden). Es war ein geplantes
Massaker und zugleich ein Startsignal für den physischen
Völkermord am kurdischen Volk.”
Die Gefangenen betonten in einem Brief an die Öffentlichkeit,
dass sie ihren Hungerstreik bis zur Erfüllung ihrer Forderungen
fortsetzen werden. Ihre zentralen Forderungen lauten: „Die
Aufhebung der Isolation gegen Abdullah Öcalan und die
umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache –
einschließlich des Rechtes auf Bildung und Verteidigung in der
kurdischen Muttersprache sowie die Aufhebung jeglicher
Assimilationspolitik gegen KurdInnen“.
Der Hungerstreik und die Forderungen der politischen
Gefangenen haben im In- und Ausland eine breite Öffentlichkeit
geschaffen. Tagtäglich finden Aktionen der Angehörigen und der
kurdischen Bevölkerung statt. Am 30. Oktober kündigte die BDP
(Partei für Frieden und Demokratie) einen Generalstreik in
Kurdistan an, dem weite Teile der kurdischen Bevölkerung
folgten. Der Generalstreik wurde z.B. von 90% der Bevölkerung
in Amed/Diyarbakir, dessen Bevölkerung um 1,5 Mio. liegt,
befolgt und getragen. Auch in weiteren etwa 30 Städten blieb die
Bevölkerung zu Hause. Busse, Taxis und Autos fuhren nicht.
SchülerInnen boykottierten den Unterricht. Läden blieben zu.
Das öffentliche Leben ist für einen Tag lahmgelegt.
Auch die demokratischen türkischen und kurdischen Kräfte,
Verbände, Intellektuelle und Künstler blieben nicht untätig. Das
Gewissen der Türkei, international bekannte Romanziers wie
Yasar Kemal und Vedat Türkali verkündeten mit weiteren
Hunderten von Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern ihre
Solidarität mit den Hungerstreikenden. Hunderte von
Berufskammer, Vereine und Verbände reihten sich hinter den
Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen. Etwa 150
kurdische und türkische Wissenschaftler aus unterschiedlichen
Universitäten erklärten ihre Unterstützung.
Yasar Kemal sagte: „Das größte Leid ist es zu beobachten, wie
der Tod durch Hunger kommt. Die Forderungen der Menschen,
wegen denen sie ihr Leben riskieren, sind in einer Demokratie
Inhalt von Menschenrechten. Wenn eine Lösung möglich ist, der
Tod von Menschen aber nicht verhindert wird, wird dies die
Sünde der Machthaber, der Opposition, den Medien und unser
aller sein. Frieden ist in diesem Land für jeden eine Sehnsucht
und ein Recht. Es muss für jeden von uns eine Aufgabe sein,
sich gegen alle Barrieren, die den Frieden verhindern, zu wehren
und sie aufzuheben. Allen, die sich damit innig beschäftigen, bin
ich dankbar. Zwei Sätze des Ministerpräsidenten Erdogan
würden ausreichen, um das Leben der streikenden Gefangenen
zu retten.“
Trotzt dieser breiten Welle der Unterstützung ging die
Staatsmacht vielerorts mit Schlagstöcken, Knüppeln, Gas- und
Wasserwerfern gegen die Protestierenden vor, auch gegen die
gewählten Parlamentarier des kurdischen Volkes.
Obwohl die Öffentlichkeit im In- und Ausland über die gerechten
Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen hellhörig
wurde, konnte der türkische Premier Erdogan am 31. Oktober
Mitten in Berlin und neben Bundeskanzlerin Merkel behaupten,
dass sich nur ein Gefangene im Todesfasten befände und alle
Anderen „Show machen“ würden.
Dem gegenüber erklärte Deniz Kaya im Namen der
hungerstreikenden Gefangenen am 4. November, dass der
Hungerstreik ab 5. November mit weiteren 10.000 kurdischen
Gefangenen fortgesetzt wird und sagte, „wir wollen mit unserem
Hungerstreik niemanden in die Knie zwingen oder erpressen.
Zugleich erlauben wir es aber auch nicht, dass irgendjemand
versucht uns zu erpressen.“
In der Erklärung heißt es weiter: „Wir fragen die ganze Welt: Wer
kann sich gegenüber der Forderung nach juristischer
Verteidigung in der eigenen Muttersprache verschließen? Wer
kann die Isolation und die Folter an einer Person akzeptieren,
der von einem ganzen Volk als dessen Repräsentant akzeptiert
wird? Wer kann sich gegen die Friedensverhandlungen mit
unserem Vorsitzenden, unserem Repräsentanten stellen, der die
Schlüsselfigur für einen Frieden zwischen den Völkern ist. Wir
fordern von allen Menschen Antworten auf diese Fragen! (…)
Wir setzen unsere Körper für eine friedliche und demokratische
Lösung der kurdischen Frage und für ein würdevolles
Zusammenleben der Völker dem Tod aus. Unsere Aktion ist
zugleich auch ein Appell an das Gewissen. Es ist der Apell eines
Volkes, welches Unterdrückung und Leid ausgesetzt ist, für ein
Ende dieser Unmenschlichkeit, die an uns stellvertretend für die
gesamte Menschheit ausgeübt wird…
Wir rufen alle Kreise, die unsere Aktion nicht ernst nehmen und
versuchen sie zu diffamieren, die Lügen über den Hungerstreik
verbreiten und allmögliche Versuche unternehmen den
Hungerstreik zu untergraben, dazu auf, Ernsthaftigkeit an den
Tag zu legen. Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden,
werden die AKP-Regierung und der Ministerpräsident Erdogan
verantwortlich für alle negativen Konsequenzen sein.“
Auch Parlamentarier im Hungerstreik
Seit dem 10. November befinden sich die Parlamentarier der
BDP (Partei für Frieden und Demokratie) Gültan Kisanak (Co-
Parteivorsitzende), Özdal Üçer, Emine Ayna, Sabahat Tuncel,
Sirri Süreyya Önder, Adil Kurt und Aysel Tugluk sowie
Oberbürgermeister von Diyarbakir Osman Baydemir in einem
unbefristeten Solidaritätshungerstreik in Amed/Diyarbakir. Denen
schloss sich am 14. November Leyla Zana im türkischen
Parlament an.
Auch Sie können einen Beitrag für Frieden und Menschenrechte
sowie Erfüllung der Forderungen der hungerstreikenden
Gefangenen leisten und sich für das Leben und die Gesundheit
der politischen Gefangenen einsetzen. Durch Briefe und Emails
an das türkische Innen- und Justizministerium können Sie die
türkische Regierung auffordern, den legitimen Forderungen der
Hungerstreikenden Gehör zu schenken.
-> Justizminister Sadullah Ergin, T.C. Adalet Bakanligi,
06659 Kizilay / ANKARA, info@adalet.gov.tr;
Abteilung für Gefängnisse: cigm@adalet.gov.tr
Oder sich an der Online Petition beteiligen:
http://www.change.org/petitions/hunger-strikers-in-turkishprisons-
engage-in-constructive-dialogue-with-prisoners#
Seit dem 4. November bemühen sich einige in Köln lebende
KurdInnen und Türkinnen, die sich dem Dialog-Kreis und Tüday
(Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland) verbunden fühlen,
praktische Hilfe zu leisten, Delegationen zu entsenden und
dringend benötigte B1 Vitamine (Tabletten und Ampullen) zu
besorgen.
Kontakt: TÜDAY- Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland
e.V., Melchiorstrasse 3, 50670 Köln, info@tuday.de
Detaillierte Infos zum Hungerstreik: www.civakaazad.com
Erdogan zum Hungerstreik und zur
Wiedereinführung der Todesstrafe
Wir veröffentlichen einige Statements von Ministerpräsident
Tayyip Erdogan um zu verstehen, warum es bis jetzt zu keiner
möglichen Lösung gekommen ist. Außerdem sind Erklärungen
des Ministerpräsidenten Erdogan zu beachten, die er hartnäckig
in der Öffentlichkeit bringt, mit der er ein Gesetz zur
Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung setzen
will. Dies ist seine Antwort auf die Forderungen der
Hungerstreikenden, dass die Isolation Abdullah Öcalans
aufgehoben werden muss. Seit mehr 16 Monaten wird gegen
Öcalan eine umfassende Kontaktsperre vollzogen, die Anträge
zu seinen AnwältInnen auf Besuch mit ihrem Mandanten werden
regelmäßig mit Begründungen wie „Die Fähre ist defekt, die
Fähre ist in Reparatur oder das Wetter ist zu schlecht“,
abgelehnt. Und das seit mehr als einem Jahr.
Einige Beispiele:
Am 29. Oktober beim Empfang im Rahmen der Feier zur
Republikgründung: „Alle essen alles“
Ministerpräsident Erdogan sagte zum Hungerstreik in den
Gefängnissen: „Mein Justizminister war dort, es gibt niemanden,
der hungrig ist. Alle essen alles. Wir werden intervenieren, wenn
es nötig ist.“
(http://www.khaber.com.tr/haber/guncel/basbakandan-flasaciklamalar-
16535.html)
Am 31.10.2012, in Berlin bei seinem Besuch zur Eröffnung der
Botschaft in Berlin:
„Es gibt einen Todesfastenden“
„Ich wende mich aus Deutschland an die ganze Welt. Es gibt in
der Türkei eine Person, die todesfastet. Wir besitzen Fotos über
Mitglieder politischer Parteien bzw. Separatistenorganisationen,
die ihnen auftragen, zu sterben. Ahmet Türk gab in Kiziltepe ein
Essen, welches feuchtfröhlich stattfand. Während sie dort dies
tun, tragen sie anderen auf, zu sterben.
Es gibt keinen Hungerstreik oder ähnliches. Mein Minister war
dort und hat sich umgeschaut. Es ist eine Show. Die Hälfte von
ihnen hat aktuell ein Bittschreiben erstellt und diese Sache
aufgegeben. Unser ganzes Personal der Krankenhäuser ist vor
Ort, um eingreifen zu können.“
(http://www.sabah.com.tr/Gundem/2012/10/31/basbakandanaclik-
grevi-aciklamasi)
Erdogan nennt es “Show”, der Minister nennt Zahlen
Der Hungerstreik bringt Ministerpräsident Erdogan und den
Justizminister in die Bredouille. Zur selben Zeit als Erdogan in
Deutschland sagte, dass es keinen Hungerstreik gäbe und sie
nur „eine Show“ aufführten, stand der Justizminister vor den
Medien und erklärte: „ …683 Personen sind im Hungerstreik...“
(http://www.internethaber.com/adalet-bakani-sadullah-erginfezleke-
bdp-aclik-grevi--472784h.htm)
„Sie führen einen Hungerstreik durch und du isst Lamm“
„Wir haben mit unseren kurdischen Brüdern keine Probleme. Wir
sind eins und gehören zusammen. Wir wollen die Demokratie
nicht nur für uns, sondern für alle. Als wenn es nicht reicht, dass
die Terrorbewegung sie in die Berge bringt, werden nun auch
die, in den Gefängnissen einsitzenden, in den Tod geschickt.
Das Justizministerium verfolgt den Hungerstreik ... Aber ich muss
folgendes sagen: Du schickt sie unter Zwang in den
Gefängnissen in den Hungerstreik, selbst isst du Lamm und
Kebab.“
Das Volk will die Todesstrafe zurück
„Ein Terroristenoberhaupt ist in diesem Land wegen des Todes
von Zehntausenden von Menschen mit dem Tod bestraft worden,
aber dieses Land hat auf Druck einiger bekannter Stellen die
Todesstrafe aufgehoben. Seit der Aufhebung der Todesstrafe
sitzt dieser jemand auf Imrali ein. Aktuell wollen viele unserer
Menschen nach statistischen Erhebungen die Todesstrafe
zurück. Denn es brennt den Angehörigen derer, die getötet
worden sind, die Seele.“ (http://www.ensonhaber.com/erdoganaclik-
grevi-yapanlara-seslendi-2012-11-03.html)
Erdogan zur Wiedereinführung der Todesstrafe
Bei einer Pressekonferenz stellte ein Journalist eine Frage zum
Hungerstreik. Erdogan sprach mit lauter werdender Stimme:
„Hasbinallah ... Worüber rede ich denn hier bis jetzt? Frag mich
doch mal zur Todesstrafe. Was willst du bewirken? Ich will
deutlich reden, ich möchte nicht drei Tage lang über die
Todesstrafe reden und dann ist es vorbei, denn ich werde nicht
zulassen, dass es vergessen wird. Lasst uns erst einmal dies
groß und breit diskutieren, nachher können wir über den Streik
und andere Dinge sprechen ...“ Und damit rief er jung und alt in
der Türkei dazu auf, in der Todesstrafe meinungsgleich zu sein.
(http://www.zaytung.com/haberdetay.asp?newsid=196003)
1. November: „Das Todesfasten ist beendet“
Ministerpräsident Erdogan traf sich mit dem Ministerpräsidenten
Moldaviens, Vladimir Filat, im Präsidialamt und gab im Anschluss
auf der Presseerklärung über die Tagesordnung wichtige
Erklärungen ab. Auf eine Frage zum Hungerstreik sagte
Ministerpräsident Erdogan: „In Bezug auf den Hungerstreik
haben sowohl Ministerium als auch unser Gesundheitsminister
jede mögliche Vorsichtsmaßnahme getroffen. Was das
Todesfasten betrifft, dieses ist beendet. So etwas gibt es zurzeit
nicht. Und die, die zum Hungerstreik aufrufen, verbringen ihre
Tage weiterhin auf Lamm- und Kebab-Party's.“
(http://www.haberler.com/olum-orucu-bitti-4057552-haberi/)
11. November, Flughafen Trabzon: Der Hungerstreik ist
Erpressung, ein Bluff und eine Show
Ministerpräsident Erdogan sagte zum Hungerstreik, den die
Abgeordneten der BDP unterstützen: „Dies ist eine Erpressung,
dies ist ein Bluff, dies ist eine Show. Sie können tun und lassen
was sie wollen. Wir werden nur im Punkt Gesundheit eingreifen,
das ist alles.“ Erdogan wurde beim Vorschlag, Abdullah Öcalans
lebenslange Haftstrafe in Hausarrest umzuwandeln barsch und
sagte: „So etwas wird es nicht geben.“
„Es müssen Angleichungen beim Thema Todesstrafe
erreicht werden“
Beim Besuch in Indonesien sagte Erdogan, der an seine
Erklärungen über die Todesstrafe erinnerte, folgendes:
„Ich habe gesagt, dass die Todesstrafe mit Blick auf Töten und
Getötet werden erneut auf den Tisch gebracht wird. Denn wir,
der Staat, sind nicht in der Lage zu verzeihen. Dieses Recht
haben die Familien der Getöteten und nicht wir. Daher müssen
einige Änderungen gemacht werden. In der Europäischen Union
sei es so. Wir haben seinerzeit solch einen Schritt getan. Aber es
gibt aktuell in den USA die Todesstrafe, in Russland gibt es sie,
in China, in Japan und an vielen anderen Orten der Welt. Dies
sind hauptsächlich Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen. Dann müssen wir unseren Standpunkt noch einmal
neu betrachten.“ (http://www.ntvmsnbc.com/id/25396794/)
13. November, Fraktionssitzung der AKP:
Sie brauchen eine Diät
Ministerpräsident Erdogan sprach über den Hungerstreik: „Ihr
Ziel ist nicht die Erfüllung ihrer Forderungen. Ihr Ziel ist Chaos
und Spannung zu schaffen. Es ist eine Erpressung, wenn sie
Punkte auf die Tagesordnung bringen, die sie nichts angehen.
Diese Regierung wird sich nicht erpressen lassen. Wir beugen
uns nicht dieser Kampagne. Die Abgeordneten der BDP können
ruhig den Hungerstreik weiterführen, sie brauchen eine Diät.“
(http://www.cnnturk.com/2012/turkiye/11/13/bdpye.yaziklar.olsun/
684372.0/index.html)
Auch die Journalisten, die über den Hungerstreik schrieben,
wurden zur Zielscheibe Erdogans:
„Ich rede offen mit euch, ihr Ziel ist nicht die Erfüllung ihrer
Forderungen, sondern die Schaffung von Chaos und der
Steigerung der Spannungen ... Wenn sie ein eigenes Problem
haben, dann ist es unsere Aufgabe, dies zu lösen. Aber wenn sie
Dinge auf die Tagesordnung bringen, was nicht ihr eigenes
Problem ist, dann ist es Erpressung. Diese Regierung wird sich
nicht erpressen lassen. Sie haben die Aufgabe bekommen, alles
zu tun, um die Stabilität, den Frieden, die Sicherheit der Türkei
zu zerstören, und das tun sie. Und gerade jetzt gibt es in der
Türkei einige Medienbetriebe, die ohne zu fragen und den
Hintergrund zu kennen, diese Aktionen unterstützen. Täglich
sorgen sie dafür, dass diese Aktionen auf der Tagesordnung
sind, täglich unterstützen sie die Steigerung der Spannungen.
Die Hungerstreikaktionen leben durch diese Medien. Seit wann
seid ihr so verliebt in diese Terrororganisation? Seit wann
arbeitet ihr mit dieser Terrororganisation Hand in Hand?“
(http://www.internethaber.com/recep-tayyip-erdogan-bdp-aclikgrevleri-
pkk-ak-parti-grup-toplantisi-emine-ayna--476251h.htm)
(Zusammengestellt von ISKU, Informationsstelle Kurdistan e.V.,
isku@nadir.org; http://isku.org)
Amnesty: Urgent Action
Fast 700 hungerstreikende Häftlinge
Hunderte Häftlinge befinden sich in 67 türkischen Gefängnissen
im Hungerstreik, einige bereits seit dem 12. September.
Rechtsbeistände der Hungerstreikenden teilten Amnesty
International mit, dass die betreffenden Gefängnisbehörden
vielen ihrer MandantInnen den Zugang zu medizinischer
Versorgung verwehren. Dies stellt eine zusätzliche Gefahr für
ihre Gesundheit dar. (....)
Rechtsbeistände der hungerstreikenden Häftlinge erklärten
gegenüber Amnesty International, dass GefängnisärztInnen die
Untersuchung von Hungerstreikenden, einschließlich der
Blutdruckmessung, regelmäßig ablehnen. Außerdem sollen
einige der Hungerstreikenden die lebenswichtigen
Vitaminpräparate nicht erhalten, die ihre Rechtsbeistände ihnen
ins Gefängnis bringen. Ein Häftling aus einem
Hochsicherheitsgefängnis in Sincan soll zu einer Anhörung
gebracht worden sein, zu der die Fahrt 36 Stunden dauerte,
obwohl seine Beweglichkeit stark eingeschränkt war und in
einem Arztbericht von der Reise abgeraten wurde.
Amnesty International ist besorgt über Berichte, denen zufolge
hungerstreikende Häftlinge in Gefängnissen in Silivri and Sakran
in Einzelhaft untergebracht wurden. Wachpersonal des
Gefängnisses von Tekirdag soll Häftlinge misshandelt haben,
weil sie dem Hungerstreik beigetreten waren.
Schreiben Sie bitte, Faxe, E-Mails oder Luftpostbriefe mit
folgenden Forderungen
• Ich möchte Sie daran erinnern, dass Hungerstreik eine
gewaltfreie Art des Protests ist. Die türkischen
Behörden haben die Pflicht, das Recht der Häftlinge
auf freie Meinungsäußerung zu respektieren, was auch
ihr Recht auf Proteste einschließt.
• Ich fordere Sie auf, sicherzustellen, dass alle
Hungerstreikenden angemessenen Zugang zu
FachärztInnen und ärztlicher Begutachtung und
Beratung haben und jegliche medizinische Versorgung
erhalten, der sie auf Grundlage dieser Begutachtung
zugestimmt haben. Sorgen Sie zudem dafür, dass die
hungerstreikenden Häftlinge nicht in unvertretbarer
Weise am Erhalt von Vitaminpräparaten gehindert
werden, die ihnen von ihren Rechtsbeiständen oder
Familienangehörigen ins Gefängnis gebracht werden.
• Stellen Sie sicher, dass keine Strafmaßnahmen gegen
Häftlinge im Hungerstreik ergriffen werden. Halten Sie
das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen
aufrecht und führen Sie unverzüglich eine vollständige
und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe durch,
denen zufolge Häftlinge in den Gefängnissen in Silivri,
Sakran und Tekirdag misshandelt oder anderweitig für
ihre Teilnahme an den Hungerstreiks bestraft wurden.
Justizminister, Sadullah Ergin
Adalet Bakani
Adalet Bakanligi, 06659 Ankara / TÜRKEI
Fax: (0090) 312 417 71 13
E-Mail: sadullahergin@adalet.gov.tr
(http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-329-2012/keinemedizinische-
versorgung?destination=node%2F3031)
Talabani: PKK wollte die Waffen
niederlegen, aber…
Mitte November reiste der türkische Journalist Hasan Cemal
nach Irakisch-Kurdistan und führte mit kurdischen Führern,
darunter Mesud Barzani und Celal Talabani Interviews. Celal
Talabani ist Kurde und Staatspräsident vom Irak, der erste Mann
in Bagdad, also. Mesud Barzani ist der Präsident von Kurdistan,
föderativem Teil Iraks, der erste Mann in Kurdistan.
Am 16 November wurde das Interview mit Talabani in der
türkischen Tageszeitung Milliyet veröffentlicht. Hier sind einige
Auszüge des Interviews mit Talabani, in sinngemäßer
Übersetzung.
„Bezüglich der PKK sagte Talabani folgendes: ‚Während der
Generalversammlung der UN im September letzten Jahres habe
ich mich mit Erdogan getroffen. Ich sagte ihm: PKK ist zu mir
gekommen. Sie sagte, dass sie bereit sei, die Waffen
niederzulegen. (An dieser Stelle soll Talabani sich zu Hasan
Cemal gebeugt und gesagt haben: Ich rede nicht von einem
Waffenstillstand, sondern von der Niederlegung der Waffen.) Für
diesen Schritt hat sie zwei Forderungen. Die erste ist eine
Generalamnesty, die andere ist die neue Definition der
Staatsbürgerschaft und das Weglassen des Wortes Türkentums
in diesem Artikel. (Im Artikel 54 der Verfassung heißt es: „Türke
ist, wer auf Grund der türkischen Staatsangehörigkeit an den
türkischen Staat gebunden ist“, Anm. der Redaktion.)
Erdogan sagte, dass eine Generalamnesty nicht einfach und die
Öffentlichkeit nicht vorbereitet sei. An dieser Stelle sagte er, dass
er kein Nationalist, sondern ein Moslem sei und alle seien seine
Brüder.
Daraufhin sagte ich, dass er den Propheten Mohammed als
Beispiel nehmen könne. Ich erklärte ihm, wie Mohammed, als er
Mekka eroberte, alle Menschen frei ließ.
Ich sagte ihm. Wenn keine Generalamnesty ausgerufen würde,
wenn die sich in den Bergen Aufhaltenden (gemeint sind
Kämpfer der PKK, Anm. der Redaktion) sich in die Ebene
begeben sollten, wohin sollen sie denn kommen, etwa in die
Gefängnisse? Dies sei doch nicht vernünftig.“
Talabani soll Cemal auch eine Road map skizziert haben. So
sehen seine Vorschläge aus:
„Die Tür zu einem Dialog kann nur ein Mensch öffnen. Dieser ist
Öcalan. Und nur der im Gefängnis sitzende Abdullah Öcalan
kann die sich in den Bergen Aufhaltenden überzeugen, die
Waffen niederzulegen.
1. Verbesserung der Haftbedingungen von Öcalan.
a. In der ersten Periode, Verbesserung der
Haftbedingungen.
b. In der zweiten Periode Hausarrest.
c. In der dritten Phase Amnesty. Diese Schritte
werden mit der Zeit und im Prozess der Verwirklichung der
Road maps nacheinander folgen.
2. Ein wirklicher Waffenstillstand.
3. Rückzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei.
4. Eine neue Definition der Staatsbürgerschaft.
5. Generalamnesty.
Dieses Interview verdeutlicht auch, die unterschiedlichen
Haltungen und Positionen der Konfliktparteien, ohne weitere
Kommentare. Die totale Isolation Öcalan dauert seit 16 Monaten
und es wird heftig gekämpft.
(Hasan Cemal, Milliyet, 16.11.12)
HRW: Straflosigkeit für staatliche Morde
und Verschleppungen beenden
Die türkische Regierung soll gegen gesetzliche Fristen, die
Einschüchterung von Zeugen und andere Hindernisse vorgehen,
die die Verfolgung von Sicherheitskräften und Beamten wegen
Mord, Verschwindenlassens und Folter verhindern, so Human
Rights Watch in einem am 3. September veröffentlichten Bericht.
Die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen,
die nach dem Militärputsch im September 1980 und die gegen
kurdische Zivilisten in den 1990er Jahren während des Konflikts
zwischen dem Staat und der bewaffneten, verbotenen
Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) begangen wurden, sind niemals
zur Rechenschaft gezogen worden.
Die Ermordung Hunderter Personen durch Sicherheitskräfte in
Haft oder bei Massenerschießungen droht zu verjähren, weil die
Verfolgung von Mord in dem früheren türkischen Strafgesetzbuch
auf 20 Jahre begrenzt ist. Ebenso könnten deshalb Tausende
vom Staat verübte Morde an Kurden aus den frühen 90er Jahren
in den nächsten drei Jahren nicht mehr strafrechtlich verfolgt
werden.
„Aufgrund alter Gesetze, die die Verfolgung von
Menschenrechtsverbrechen in der Türkei einschränken, können
Sicherheitskräfte und Beamte für Mord und Folter nicht mehr zur
Rechenschaft gezogen zu werden“, so Emma Sinclair-Webb,
Türkei-Expertin von Human Rights Watch. „Es ist wichtig, dass
die türkischen Behörden jetzt handeln, damit der Anspruch der
Opfer auf Gerechtigkeit nicht verjährt.”
Der 67-seitige Bericht „Time for Justice: Ending Impunity for
Killings and Disappearances in 1990s Turkey” dokumentiert die
Erfahrungen, die aus dem laufenden Verfahren gegen den
pensionierten Oberst Cemal Temizöz und sechs weitere
Personen gewonnen werden können, die wegen Mord und
Verschleppung von 20 Männern und Jungen zwischen 1993 und
1995 angeklagt sind. Dies ist das erste Verfahren gegen ein
führendes Mitglied der Gendarmerie wegen schweren
Menschenrechtsverletzungen, die während des Konflikts
zwischen dem Staat und der PKK begangen wurden.
Der Bericht basiert auf Interviews mit 55 Personen in der Provinz
Sirnak, deren Angehörige ermordet wurden oder verschwunden
sind, offensichtlich in staatlichem Auftrag seit den frühen 1990er
Jahre.
Die Interviews von Human Rights Watch und das Verfahren in
Diyarbakir lenken die Aufmerksamkeit auf das Klima der Angst
unter den Angehörigen der Opfer, das bis vor kurzem im
Südosten des Landes geherrscht hat. Es gab keine wirksame
Untersuchung der Morde und Verschleppungen in der Region zu
jener Zeit und danach.
Auf der Grundlage dieser Lehren fordert der Bericht „Time for
Justice“ die türkische Regierung, Gerichte und Staatsanwälte
auf, ein Model für die türkische Justiz zu entwickeln, in dem das
Opfer im Mittelpunkt steht. Staatsanwälte und Richter müssen
die Opfer, ihre Angehörigen und Anwälte besser vor
Einschüchterung und Angriffen vor Gericht und außerhalb
schützen, wenn diese gegen Angeklagte aussagen, die den
Sicherheitskräften, der Dorfpolizei oder staatlichen Institutionen
angehören. Zudem müssen die Verfahren schneller
abgeschlossen werden, die sich nun oftmals über Monate und
Jahre hinziehen und dadurch Einschüchterungsmaßnahmen
wahrscheinlicher werden lassen.
Der Bericht enthält konkrete Empfehlungen, um die Verfolgung
von Verbrechen zu verbessern, die von Sicherheitskräften
begangen wurden. Zudem soll das türkische Parlament eine
unabhängige Wahrheitskommission einsetzen, um die
begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Auch
werden frühere Empfehlungen der Vereinten Nationen, des
Europarats und anderer internationaler Organisationen
aufgegriffen, die sich für einen umfassenden Regierungsplan
aussprechen, um das System der Dorfpolizei aufzulösen, die in
den Provinzen im Südosten der Türkei operiert.
(http://www.hrw.org/de/news/2012/09/03/t-rkei-straflosigkeit-f-rstaatliche-
morde-und-verschleppungen-beenden)
Friedensmarsch des kurdischen Kriegsdienstverweigerers
Mit einem Konzert wurden am 20. Oktober der kurdische
Kriegsdienstverweigerer Halil Savda und seine
WegbegleiterInnen in Ankara begrüßt. Halil Savda hatte am 1.
September 2012 einen 1.300 km langen Friedensmarsch in
Roboskî (türkisch: Ortasu) begonnen, um ein Zeichen gegen den
Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei zu setzen: „Wir
befinden uns in der Türkei zur Zeit an einem historischen
Scheideweg zwischen Krieg und Frieden.“
In seiner Erklärung zum Antikriegstag 2012 machte er deutlich,
dass er den Friedensmarsch als alternative gewaltfreie Form des
Widerstandes gegen den Krieg und gegen die
Menschenrechtsverletzungen im Land ansieht:
„Menschenrechtsaktivisten, Kriegsgegner und Friedensaktivisten
müssen für den Frieden neue Widerstandsformen entwickeln,
sonst wird dieser Krieg uns weiterhin beschmutzen und
verletzen.“
Halil Savda hatte den Marsch in Roboskî/Ortasu begonnen,
einem kurdischen Dorf im Landkreis Uludere in der Provinz
Sirnak, da dort Ende 2011 34 Dorfbewohner durch Beschuss
türkischer Kampfflugzeuge ums Leben kamen. Gemeinsam mit
den Angehörigen war Halil Savda zu den Gräbern der Opfer
gegangen, um hier beispielhaft den ermordeten Zivilisten des
Krieges zu gedenken.
In einem Interview berichtete Halil Savda am 25. September
2012 über seine Erfahrungen auf dem Friedensmarsch: „Seitdem
ich unterwegs bin, habe ich bislang nicht erlebte Aufmerksamkeit
und liebevolle Gesten erfahren. Kurden, Türken, Araber,
Soldatenfamilien haben uns empfangen, uns ihre Türen geöffnet,
uns zum Essen eingeladen. Die Menschen bewahren immer
noch ihren Glauben daran, dass der Frieden irgendwann
kommen wird. Sie bewahren immer noch ihre Hoffnung, trotz all
der erlebten nationalistischen, chauvinistischen,
verleumderischen Politik des Staates.“
Wenige Tage später wurden die FriedensmarschiererInnen auf
Geheiß des Gouverneurs der Provinz Osmaniye verhaftet. Ihnen
wurde untersagt, die Provinz zu durchqueren, da ihr Friedenslauf
„provokant“ sei. Die FriedensläuferInnen wurden gefesselt und
zur angrenzenden Provinz Adana verbracht. Amnesty
International protestierte gegen die Verhaftung und forderte am
30. September die türkischen Behörden auf, „sicherzustellen,
dass Halil Savda und seine fünf FreundInnen ihr Recht auf
Meinungs- und Versammlungsfreiheit während ihres
‚Friedenslaufs‘ ausüben können.“
(KriegsgegnerInnen in der Türkei: www.savaskarsitlari.org,
Kampagne zur Kriegsdienstverweigerung in der Türkei:
www.Connection-eV.org/projekt-tuerkei)
Wahlfach Kurdisch an türkischen
Schulen ist eine Farce
Mit Gasgranaten und Wasserwerfern löste die türkische Polizei
am 17. September in mehreren kurdischen Städten
Demonstrationen der im Parlament vertretenen Partei für Frieden
und Demokratie (BDP) für das Recht auf muttersprachlichen
Unterricht auf.
In der Stadt Sirnak schoss die mit Panzerwagen vor der BDP-
Zentrale aufgefahrene Polizei mit Gasgranaten auf einen
Demonstrationszug von mehreren Hundert Personen. Auch ein
Wasserwerfer aus deutscher Produktion (Daimer-Benz Unimog)
kam zum Einsatz gegen den bereits nach 50 Metern von der
Polizei gestoppten Demonstrationszug. An der Spitze der
Demonstration marschierten mehrere Dutzenden Grundschüler.
Die Kinder hielten Plakate mit den weiterhin verbotenen
Buchstaben X, Q und W hoch und riefen Parolen für das Recht
auf kurdischsprachigen Schulunterricht. Zahlreiche
Demonstrationsteilnehmerinnen- und -teilnehmer einschließlich
älterer Frauen und Kinder wurden durch den massiven
Reizgaseinsatz sowie den Strahl des Wasserwerfers verletzt.
Gezielt wurde auch die BDP-Zentrale, in die zahlreiche
Demonstrantinnen und Demonstranten geflohen waren, mit
Gasgranaten beschossen. In Sirnak stellt die BDP den
Bürgermeister und den Stadtrat.
Die Polizei nahm während der gewaltsamen Auflösung der
Demonstration zwei im Auftrag der Bundestagsabgeordneten
Ulla Jelpke (Die Linke) zur Menschenrechtssituation in der Türkei
recherchierende Journalisten vorübergehend fest. Die
Staatsschutzbeamten löschten auf einer Digitalkamera alle
Aufnahmen des Polizeieinsatzes gegen die Schüler. Die Kinder
seien mit Geld bestochen worden, um mit Steinen auf die
Polizisten zu werfen, rechtfertigte ein Beamter den brutalen
Polizeieinsatz.
Hintergrund der Proteste war die Einführung von
Kurdischunterricht als Wahlfach ab der Mittelstufe im soeben
begonnenen neuen Schuljahr. Diese vom türkischen
Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan als „historischer
Schritt“ bezeichnete Reform ist reine Augenwischerei. Das
bestätigten uns Vertreterinnen und Vertreter des Vereins für die
kurdische Sprache Kurdi-Der und BDP. Die kurdischen Verbände
empfinden es als Frechheit, dass die eigene Muttersprache nur
als Wahlfach angeboten wird und fordern muttersprachlichen
Schulunterricht für die kurdische Bevölkerung in der Türkei.
Während der Staat im Übrigen ohne die eine
Verfassungsänderung erforderlichen rechtlichen Grundlagen
kurdischsprachigen Wahlunterricht und einen kurdischsprachigen
Sender anbietet, ist die kurdische Sprache im amtlichen und
politischen Gebrauch weiterhin verboten. Kurdische Angeklagte
dürfen sich vor Gericht nicht in ihrer Muttersprache verteidigen.
In Diyarbakir erzwang kürzlich ein Gericht die Umbenennung von
mehreren Stadtparks und dem nach dem Dichter Cegerxwin
benannten Kulturzentrum. Die Namen entstammten einer
anderen als der türkischen Sprache, sie enthielten die im
türkischen Alphabet nicht vorhandenen Buchstaben X, Q und W
und würden daher Separatismus fördern, lautete die Begründung
des Gerichts.
(Brigitte Kiechle, Rechtsanwältin, Dr. Nick Brauns, Journalist /
Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei MdB Ulla Jelpke, Güz Güzel,
Journalistin und Dolmetscherin, Sirnak, 17.9.12)
Das ehemalige Gefängnis Nr.5 soll Menschenrechtsmuseum werden
Zehntausende Menschen gingen am Sonntag in Amed mit der
Forderung auf die Straße, dass das ehemalige Gefängnis Nr.5 in
Amed zu einem Menschenrechtsmuseum umgewandelt werden
soll.
Das Gefängnis Nr.5 aus Amed hat in den 80er Jahren traurige
Berühmtheit durch die brutalen Foltermethoden des
Gefängnispersonals an den politischen Gefangenen erlangt. So
sollen zwischen 1981 und 1984 laut offiziellen Angaben 34
Gefangene ihr Leben hinter den Mauern verloren haben. 2009
erklärte die AKP-Regierung, dass sie das Gefängnis Nr.5
schließen und anstelle dessen ein Gefängnis außerhalb der
Stadt erbauen wollen. Die Bewohner der Stadt, für die das
Gefängnis zum Inbegriff der Brutalität des Staates gegenüber
kurdischen AktivistInnen geworden ist, fordern, dass aus dem
Gefängnis ein Museum der Menschenrechte werden soll, in
welchem die Geschehnisse innerhalb der Mauern dokumentiert
werden soll. Die Regierung plant hingegen eine Schule an die
Stelle des jetzigen Gefängnisses zu errichten.
(ANF, 30.9.12; ISKU)
Auswärtiges Amt:
Vorsicht bei Reisen in die Türkei
Seit Mitte Juli 2011 kommt es wieder verstärkt zu Anschlägen
gegen türkische Sicherheitskräfte sowie Militär- und
Polizeieinrichtungen durch die als Terrororganisation gelistete
PKK, vor allem im Südosten des Landes. Die
Sicherheitsvorkehrungen befinden sich landesweit auf hohem
Niveau.
Vor diesem Hintergrund wird bei Reisen in den Südosten des
Landes zu größter Vorsicht geraten. Von Überlandfahrten sollte
nach Möglichkeit abgesehen werden. In der Region kommt es
weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der
PKK und türkischen Sicherheitskräften.
Das Auswärtige Amt empfiehlt weiterhin, belebte Plätze im
innerstädtischen Bereich, Verkehrsmittel des öffentlichen
Personennah- und Fernverkehrs sowie Regierungs- und
Militäreinrichtungen zu meiden bzw. die Anwesenheiten an
solchen Orten auf das unbedingt erforderliche Maß
einzuschränken.
Der türkische Generalstab hat sechs Gebiete in den Provinzen
Siirt, Sirnak, Mardin und Hakkâri zu zeitweiligen Sicherheitszonen
und militärischen Sperrgebieten erklärt, deren Betreten bis
auf Weiteres grundsätzlich verboten ist und die einer strengen
Kontrolle unterliegen. Diese Militärsperrgebiete sind allerdings
nicht immer eindeutig gekennzeichnet. Für solche Bezirke gilt ein
absolutes Verbot für das Betreten und Fotografieren.
(http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/
Nodes/TuerkeiSicherheit_node.html#doc336356bodyText1)
Deutsche unterstützen die Forderung nach Anerkennung der
kurdischen Identität und Gleichstellung
40 kurdische, türkische und andere Migrantenorganisationen in
Deutschland haben innerhalb von zwei Wochen 50.000
Unterschriften für eine Petition gesammelt. Sie fordern vor allem
eine Gleichstellung der Kurden mit anderen Migrantengruppen in
Deutschland. Der Petitionsausschuss des Deutschen
Bundestages hat die Petition bereits für den 15. Oktober auf
seine Tagesordnung gesetzt.
In der Bundesrepublik leben etwa eine Million Kurden. Dieser
großen Gruppe müssen die gleichen Rechte zugestanden
werden, wie anderen Migrantengruppen. Das würde ihre
Verbundenheit zu unserer Gesellschaft sehr fördern.
Wir UnterzeichnerInnen treten hierfür ein und fordern eine breite
Diskussion in Politik und Öffentlichkeit sowie Entscheidungen
zugunsten der vorgelegten Petition.
Prof. Dr. Andreas Buro (Preisträger Aachener Friedenspreis und
Koordinator des Dialog-Kreises); Dr. phil. Elke Steven und Martin
Singe (Komitee für Grundrechte und Demokratie); Prof. em. Dr.
Eva Senghaas-Knobloch; Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin
(Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte); Dr.
med. Gisela Penteker (IPPNW); Prof. Dr. Hanne-M. Birckenbach;
Heiko Kauffmann (Preisträger Aachener Friedenspreis,
Vorstandsmitglied Pro Asyl); Helga Dieter (Komitee für
Grundrechte und Demokratie); Dr. Jürgen Micksch (Vorsitzender
des Interkulturellen Rates in Deutschland); Mani Stenner
(Netzwerk Friedenskooperative); Matthias Jochheim
(Vorsitzender der deutschen Sektion der IPPNW); Monika
Bergen (Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrates Berlin,
Pensionierte Verwaltungsjuristin); Prof. Dr. Norman Paech; Rolf
Becker (Schauspieler, ver.di FB8, OVV Hamburg); Dr. Peter
Strutynski (Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag); Prof. Dr. med. Ulrich Gottstein (IPPNW-
Ehrenvorstandsmitglied); Prof. Dr. Werner Ruf; Prof. Dr. Wolf-
Dieter Narr
Appell der in Deutschland lebenden kurdischen und
türkischen Prominenten:
ANERKENNUNG DER KURDISCHEN IDENTITÄT
IN DEUTSCHLAND!
GLEICHSTELLUNG DER KURDEN
MIT ANDEREN MIGRANTENGRUPPEN!
Wir, die SchriftstellerInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen und
AkademikerInnen kurdischer, türkischer und anderer
Nationalitäten, unterstützen die Kampagne “Anerkennung der
kurdischen Identität in Deutschland“, die am 1. September 2011
unter Federführung von YEK-KOM von 40 kurdischen, türkischen
und anderen MigrantInnen-Organisationen gestartet worden ist.
Wie bekannt, haben die Initiatoren der Kampagne es geschafft,
die für eine Petition erforderlichen 50.000 Unterschriften
innerhalb von zwei Wochen zu sammeln. Der Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages hat die Besprechung der Petition
für die Anerkennung der Kurdischen Identität für den 15. Oktober
2012 auf die Tagesordnung gesetzt.
Durch unsere Unterschriftenkampagne rufen wir alle Parteien
des Deutschen Bundestages, die VertreterInnen im
Petitionsausschuss haben, dazu auf, die nationale Identität der
Kurden, die seit 50 Jahren in Deutschland leben und Teil dieser
Gesellschaft sind, anzuerkennen, damit die Kurden mit anderen
Migrantengruppen gleichgestellt werden und die seit 50 Jahren
andauernden Benachteiligung beendet wird.
Mehr als eine Million Kurden, die in Deutschland leben, werden
nach den Farben ihres Passes als Türke, Araber oder Perser
behandelt. In den Statistiken und öffentlichen Studien tauchen
sie mit ihrer Identität nicht auf. Das Recht auf muttersprachlichen
Unterricht wird den kurdischen Kindern mit Ausnahme von
wenigen Bundesländern nicht anerkannt. Das Beratungsangebot
sowie Informationsbroschüren und -dokumente werden in vielen
Sprachen angeboten, nicht jedoch in der kurdischen Sprache.
Die kurdischen MigrantInnen zahlen zwar GEZ- Gebühren,
können aber bis auf die Ausnahme von NRW, keine Sendungen
in ihrer Muttersprache empfangen. Obwohl die Kurden die größte
organisierte Migrantengruppe ist, werden die meisten kurdischen
Vereine mit öffentlichen Mitteln nicht gefördert.
Die Standesämter in Deutschland machen bei der
Namensbenennung von kurdischen Kindern Schwierigkeiten,
weil sie das „Veto“ von türkischen Konsulaten gegen die
kurdischen Namen fürchten. Obwohl die Kurden in Deutschland
die zweitgrößte MigrantInnengruppe sind, sind sie bei den
bestehenden Kommissionen für Integration und Interreligiösen
Dialog auf Bundes- und Landesebene nicht ausreichend
vertreten.
Wie aus diesen Beispielen zu sehen ist, werden die Kurden
benachteiligt und dies führt in Deutschland, einem Land in
Westeuropa, in dem die meisten Kurden leben, zu täglichen
strukturellen, sozialen und psychischen Problemen.
Wir, die UnterstützerInnen dieser Kampagne, rufen Deutschland,
einer der Hauptinitiatoren der Kopenhagener Kriterien, den
Bundestag und die Vertreter der Parteien im Petitionsausschuss
dazu auf, die von 50.000-60.000 Menschen unterschriebene
Petition für die Anerkennung der kurdischen Identität und die
Gleichstellung der Kurden mit anderen Migrantengruppen in
Deutschland zu akzeptieren.
Diese Anerkennung wird die in Deutschland lebenden Kurden
ermutigen, am sozialen Leben in Deutschland aktiver
mitzuwirken und ihre Verbundenheit zu dieser Gesellschaft zu
verfestigen.
Ahmet Aktas (Schriftsteller); Ahmet Kahraman (Journalist & Schriftsteller);
Akram Hidou (Regisseur); Priv-Doz. Dr. Alexander Frhr. von Pechmann;
Ali Dagdeviren (Schriftsteller); Ali Ihsan Dogan (Sänger); Ali Ikizer
(Musiker); Alin (Sängerin); Andulkadir Ulumaskan (Lehrer); Annett Winkler;
Armanc Egîd Nêrweyî(Journalist, Wochenzeitung Rudaw); Aysel Uzun; Azad Özer
(Tourismus); Bayram Ayaz (Lehrer); Cahit Mervan (Journalist); Cewat Merwanî
(Sänger); Cömert (Sänger); Delil Dilanar (Künstler); Deniz Deman (Sänger);
Diyar (Sänger); Ebrahim Farshy (Schriftsteller & Theaterpädagoge);
Engin Erkiner (Schriftsteller);Eylem (Sängerin); Fadil Özçelik (Journalist);
Fayad Osman (Journalist,Dolmetscher & Übersetzer); Feleknas Uca (ehem. MdEP);
Feqîr Ehmed Çelîkaslan (Dichter); Ferhad Feqi (Schauspieler); Fevzi Özmen
(Schriftsteller); Fuat Kav (Journalist, Schriftsteller); Dr. Gundî Dilberz
(Historiker und Schriftsteller); Günay Aslan (Journalist); Hakan Sirmasac
(Diplom-Kaufmann und Geprüfter Bilanzbuchhalter); Hamide Akbayir
(Ehem. Abgeordnete Landtag NRW); Hasan Dere; Hasan Hüseyin Deveci
(Freischaffender Künstler/Kunstpädagoge und Künstlericher Berater der
Le Monde Diplomatique Kurdî); Hasan Task