„Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt
zwischen Türken und Kurden“
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Redaktion: Andreas Buro, Barbara Dietrich, Memo Sahin,
Luise Schatz und Mani Stenner
Redaktionsschluss: 6.02.2012
dialogkreis@t-online.de, www.dialogkreis.de
Inhalt
Der Kommentar: Wohin steuert die AKP?
IHD: 2011 wurden 6800 Personen festgenommen,
davon 3800 inhaftiert
40 kurdische JournalistInnen verhaftet
Vizepremier stellt klar:
KCK-Operationen sind politische Operationen
Rangliste der Pressefreiheit: Türkei auf Platz 148
Leyla Zana: Autonomie reicht nicht aus!
ai: Untersuchungen zur Bombardierung in Uludere
sind nicht glaubwürdig
Haftsituation von Abdullah Öcalan:
IHD appelliert an Anti-Folter-Komitee
Kurdische Parlamentarier genießen keine Immunität
– Zanas Wohnung durchsucht
Keine Gerechtigkeit im Fall Hrant Dink
Massengrab Mitten in Amed/Diyarbakir
17 Jugendliche im Gefängnis im Hungerstreik
Am Tag des bedrohten Anwaltes
Kundgebungen vor türkischen Vertretungen
Freitagsgebete auf Englisch jedoch nicht Kurdisch
Roj-TV: Stimme der Kurden schweigt
Die Blockade gegen Roj TV dauert an
Haftstrafe für ehemaligen Bürgermeister
wegen Interview in Los Angeles Times
Frankreichs Senat verabschiedet Gesetz
gegen Genozidleugnung
Ragip Zarakolu für den Friedensnobelpreis
Haftstrafe für ehemaligen Bürgermeister
wegen Interview in Los Angeles Times
Europa-Rat: Türkische Justiz muss Menschenrechte
besser schützen
Bewohner Hasankeyfs blockieren Topkapi Palast in Istanbul
Familienzusammenführung und Rückkehr von Gazale Salame
Newroz-Delegation „Ez jî li vir im“
IPPNW-Delegationsreise 9
Newroz-Delegation nach Süd-Kurdistan
Neuerscheinungen:
Stranên Kurdî / Kurdische Lieder
Warum das Kamel beleidigt war
»Infobrief Türkei«
Hinweis auf sonstige Infostellen
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Der Kommentar
Von Memo Sahin
Als die türkische Regierungspartei, AKP, sich nach den
Parlamentswahlen im Jahre 2002 auf den Weg in die
Europäische Union machte und die Macht der Generäle und
Eliten der kemalistischen Schule begrenzen wollte, war sie eine
reformoriente Erneuerungspartei. Die unter dem Diktat der
Kemalisten leidende Bevölkerung, die Intellektuellen,
Demokraten und Liberalen haben damals nicht gezögert, den
Kurs der AKP zu unterstützen. Auch aus dem Westen, EU und
USA, erhielt sie zunehmend Anerkennung und wurde
international aufgewertet. Dies und die wirtschaftlichen Erfolge
haben die AKP ermutigt, ihren Platz auf dem Sattel zu
verfestigen und im In- und Ausland selbstbewusster aufzutreten
oder sogar aufzutrumpfen.
So hat Regierungschef Erdogan nicht gezögert auf dem
internationalen Parkett in Davos den israelischen
Staatspräsidenten Peres der "barbarischen Kriegsführung“ zu
bezichtigen, ohne sich zu erinnern, was er im eigenen Land
gegenüber den Kurden praktizierte. (spiegel.de, 29.1.2009)
In Deutschland beschuldigte er die Bundesregierung der
„Assimilation“ der türkischen Migranten, die „ebenso wie der
Antisemitismus ein Vergehen an der Menschheit“ sei, ohne in
Erinnerung zu rufen, dass in seinem Land kein einziger
Klassenraum besteht, in dem kurdische Kinder in ihrer
Muttersprache unterrichtet werden. (FAZ, 2.11.2011)
Bezüglich der Anerkennung des Völkermordes an Armenier griff
die AKP-Regierung fast alle europäischen Regierungen an, rief
zum Boykott der Waren aus der Schweiz und aus Frankreich auf,
obwohl dieses Vergehen fast 100 Jahre vor seiner Regierung im
Osmanischen Reich stattgefunden hatte.
Ab der Mitte des Jahrzehnts war die AKP vorrangig damit
befasst, die Macht der Generäle und Kemalisten zu begrenzen –
eine Herkules-Aufgabe, die sie relativ erfolgreich bewältigt hat.
Die Generäle wurden im Sommer 2011 in ihre Kasernen beordert
und der neue Generalstabschef fühlt sich mit der AKP-Regierung
verbunden.
Seit fast fünf Jahren, ab 2007 kontrolliert sie die Legislative und
Exekutive und stellt das Staatsoberhaupt. Hinzu gekommen ist
im Jahre 2010 auch die Judikative, die vom Hohen Rat der
Staatsanwälte und Richter (HSYK) kontrolliert wird, darunter
auch das Verfassungsgericht. Alle bis dahin von der AKP
kritisierten Verfassungsorgane, darunter Nationaler
Sicherheitsrat (MGK), Religionsbehörde (Diyanet), Hochschulrat
(YÖK) und Kontrollgremium der Medien (RTÜK), wurden nicht
abgeschafft, sondern mit AKP nahen Kadern neu besetzt und
unter Kontrolle gestellt.
Ein sehr großer Teil der türkischen Medien befinden sich in den
Händen der islamischen Holdings. Dutzende von
Tageszeitungen und Fernsehstationen agieren wie
Zentralorgane der AKP. Allwöchentliche Reden von Erdogan
werden landesweit von über zehn Fernsehsendern live
übertragen. Erdogan lädt die Besitzer und Chefredakteure zu
Briefings ein und bestimmt den Ton der Berichterstattung.
(haber7.com, 20.10.2011)
In der Kurdenfrage agiert die AKP wie ihre Vorgänger und denkt,
dass sie die Kurdenfrage mit militärischen Mitteln lösen könne:
Wie Vorgänger Demirel, der 1992 sagte, dass er die kurdische
Realität anerkenne, wie Mesut Yilmaz, der 1999 sagte, dass der
Weg der EU über Diyarbakir laufe, sagte Erdogan im Sommer
2005 in der Kurdenmetropole Diyarbakir: "Das Kurdenproblem ist
nicht etwas, das nur einen Teil der Nation betrifft, sondern ist
unser aller Problem und vor allem mein Problem." (12.8.2005)
Drei Jahre später, im Sommer 2008 „startete“ er die Politik der
„kurdischen Öffnung“, die allerdings im Sande verlief und
verkehrte sie im kurdischen Mus wieder, in dem er sagte: „Für
mich existiert die Kurdenfrage nicht!“ (30.4.2011,
http://www.haber7.com/haber/20110430/ Erdogan-Kurt-sorunuyoktur.php)
Seit dieser Art der „kurdischen Öffnung“ wurden über 6000
kurdische Politiker, gewählte Volksvertreter, Bürgermeister,
Gewerkschafter, Journalisten und Menschenrechtler und
Rechtsanwälte nicht nur vorüber gehend festgenommen,
sondern verhaftet. So versucht die AKP-Regierung die legale
kurdische Partei BDP, die 100 Kommunen in kurdischen
Gebieten regiert und im türkischen Parlament vertreten ist, zu
lähmen. Die AKP versucht jedoch nicht nur, Kurden mundtot zu
machen, sondern auch Andersdenkende. Prof. Dr. Büsra Ersanli
und der international bekannte Verleger Ragip Zarakolu wurden
als angebliche Unterstützer der KCK, sprich PKK, verhaftet.
In den kurdischen Bergen wird internationales Kriegsrecht
verletzt, indem Kämpfer der PKK mit chemischen Waffen
ermordet wurden. Zivilisten werden in diesem Krieg nicht
verschont. Am 28. Dezember 2011 wurden 34 Kurden
mehrheitlich Kinder und Jugendliche mit F16 Kampfjets
massakriert - wie es scheint, wider besseres Wissen. Erdogan
leitete höchstpersönlich einen Prozess gegen seinen bis dato
Unterstützer, Ahmet Altan, Herausgeber der Tageszeitung Taraf,
auf Schadenersatz in Höhe von 30.000 Türkische Lira ein, weil
der ihn wegen der Tötung der 34 kurdischen Zivilisten kritisiert
hatte.
Erdogan erträgt selbst keine kritischen Karikaturisten und
Künstler, nicht nur Mohammed-Karikaturisten. Er lässt an der
armenischen Grenze ein Friedensdenkmal des Künstlers
Mehmet Aksoy zerstören, das für die Annäherung zwischen den
beiden Völkern stand.
(http://www.dha.com.tr/haberdetay.asp?Newsid=173593, 14.6.2011).
Erdogan griff auch den amerikanischen Schriftsteller, Paul Auster,
an, weil dieser es abgelehnt hatte, in ein Land einzureisen, in dem
Journalisten und Schriftsteller verhaftet sind. Erdogan erwiderte:
„Ob du kommst oder nicht, was würde sich denn ändern?“
Amnesty international, Human Rights Watch,
Menschenrechtskommissar des Europarats, Hammerberg, EU-
Erweiterungskommissar Füle und PEN-International kritisieren
die AKP-Regierung wegen der massenhaften Inhaftierung der
BDPler, der Journalisten und Schriftsteller sowie begangenen
Menschenrechtsverletzungen. Die Türkei ist nach einer
Auflistung der Organisation Reporter ohne Grenzen von 179
Ländern in Bezug auf die Pressefreiheit im Jahre 2011 gleich um
10 Stellen auf den Platz 148 abgerutscht. Nach Recherchen des
unabhängigen Netzwerks Bia vom 31.01.2012 sind 104
Journalisten und 30 Verteiler von Zeitungen meist unter dem
Vorwurf, illegalen Organisationen anzugehören, inhaftiert.
Nun ist Erdogan auf dem Wege nach dem Vorbild der
Kemalisten statt einer „kemalistischen Jugend“ eine „gläubige
Jugend“ zu schmieden. Vor seiner Fraktion am 31. Januar
verkündete er, dass die AKP-Regierung vorhabe, eine gläubige
Jugend zu erziehen, indem er vergaß, dass die „Erziehung einer
gläubigen Jugend“ nicht zu den Aufgaben einer säkularen
Regierung gehört und dass der Staat in der Glaubensfrage
unparteiisch bleiben muss.
Die religiösen und ethnischen Minderheiten, wie Aleviten,
Christen und Kurden, haben bitter erfahren, was für eine Jugend
aus der „Türkisch-Islamischen-Synthese“ geschmiedet wurde
und wozu sie fähig ist.
Auch von der Politik „Nullproblem mit den Nachbarn“ ist nichts
übriggeblieben. Fast mit allen Nachbarn, Armenien, Iran, Irak,
Syrien, Zypern und Griechenland ist die türkische Außenpolitik
auf Konfrontationskurs geraten.
Anscheinend hat die AKP-Regierung vom Vorhaben, das Land
zu demokratisieren, die Kopenhagener Kriterien voll
anzuerkennen und anzuwenden und die Kurdenfrage friedlich zu
lösen, Abschied genommen. So stellt sich mit Recht die
sorgenvolle Frage, wohin steuert die AKP-Regierung?
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Ereignis-Kalender
Die Istanbuler Sektion des Menschenrechtsvereins (IHD) hat im
Rahmen der Woche für Menschenrechte eine Demonstration mit
dem Motto „Wir wollen nicht aussagen. Wir wollen berichten“
veranstaltet.
Hierbei hat Meral Cildir, die Vorstandsmitglied des IHD ist, eine
Erklärung zu den Rechtsverletzungen im Jahre 2011 verlesen:
„Im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen wurden 330
Menschen getötet. 19 Menschen wurden extralegal hingerichtet.
In 812 Fällen haben Personen, die in Polizei-/Militärgewahrsam
Folter oder schlechte Behandlung erfahren haben bei uns
Anzeige erstattet. 2011 gab es eine starke Zunahme bei
rechtswidrigen Eingriffen in das Demonstrations- und
Versammlungsrecht. Im Zuge der Eingriffe kamen 6 Personen
ums Leben, 271 wurden verletzt. 6800 Personen wurden
festgenommen, davon 3800 inhaftiert. Eingriffe in das
Organisationrecht haben stark zugenommen, so dass vor allem
tausende PolitikerInnen und Mitglieder der Partei für Frieden und
Demokratie (BDP), der Sozialistischen Partei der Unterdrückten
(ESP) und der Sozialistischen Demokratie Partei (SDP) inhaftiert
wurden.
Meral Cildir hat weiterhin angeführt, dass auch die Repression
gegen MenschenrechtlerInnen zugenommen hat. Dazu zählen
unter anderem auch: Ragip Zarakolu (Ehrenvorsitzender des
IHD), Muharrem Erbey (Ko-Vorsitzender des IHD-Türkei und
Vorsitzender der Sektion Diyarbakir), Roza Erdede und Aslan
Özdemir (Vorstandsmitglieder des IHD-Diyarbakir). Zuletzt hat
Cildir auch auf die Verhaftung von 38 Anwälten hingewiesen und
betont, dass die kurdische Frage auf Grundlage
gesellschaftlicher Rechte gelöst werden muss.
(ANF, 17.12.11, ISKU)
Im Rahmen der laufenden KCK-Operationen wurden am 20.
Dezember mit einer koordinierten Razzia der Polizei 42
kurdische JournalistInnen festgenommen und anschließend
verhaftet. Betroffen waren Journalisten der kurdischen
Tageszeitung „Özgür Gündem“, die Nachrichtenagentur „DIHA“,
die Nachrichtenagentur „Etik Ajans“, der Verlag „Gün Maatbasi“
und die Zeitschrift „Demokratik Modernite“.
Zeitgleich wurden in Istanbul, Ankara, Diyarbakir, Van, Adana,
Mersin und Izmir Razzien durchgeführt. Dabei wurden
Festplatten, Nachrichtenmaterialien und Nachrichtenarchive
seitens der Polizei beschlagnahmt. Unter den
gefangengenommenen befindet sich auch ein Reporter der AFP
und Reporter der Tageszeitung „Vatan“.
Laut dem Menschenrechtsverein IHD befinden sich in der Türkei
zurzeit 71 Journalisten in Haft. Die AKP-Regierung hat die
Türkei, was die Inhaftierung von Journalisten angeht zu einem
großen Gefängnis werden lassen.
Melda Onur, Istanbuler Abgeordnete der Republikanischen
Volkspartei (CHP), hat in ihrer Rede zum Budget der
Generaldirektion für Presse und Information im türkischen
Parlament auf die festgenommenen Journalisten hingewiesen
und gesagt: „Je größere Justizpaläste ihr baut, umso mehr
schrumpft die Gerechtigkeit.“ Melda Onur hat in ihrer Rede vor
dem Parlament mit den Worten „Die freie Presse ist inhaftiert, die
nicht Inhaftierten sind nicht frei“, auf die Repressionen
gegenüber der Presse und den JournalistInnen in den
Gefängnissen aufmerksam gemacht.
Die Einschränkungen, die sich in der Meinungsfreiheit während
der Legislaturperiode der AKP zeigen, sind vor allem bei der
Pressefreiheit zu sehen. Noch immer sind in der Türkei 71
JournalistInnen in Haft. Noch immer werden hunderten
JournalistInnen, RedakteurInnen und Intellektuellen unter
unterschiedlichsten Vorwänden Verfahren eröffnet. Mit den
Repressionen der AKP-Regierung gegen die gesamte
Opposition hat auch die oppositionelle Presse ihren Teil
abbekommen. Sie ist kaum noch vorhanden und in diesem Land
ist ein Mediensystem entstanden, welche man als „einseitigen
Journalismus“ benennen kann, in dem keine einzige quere
Stimme mehr erhoben wird.
(Bianet und ANF, 14.12.11; ANF, 20. und 21.12.11)
Vizepremier stellt klar:
Der türkische Vizepremier und Koordinator der Anti-Terror-
Bekämpfung Besir Atalay hat in einem Fernsehinterview am 18.
Dezember, offengelegt, dass es sich bei den Festnahmewellen
im Rahmen der KCK-Operationen um politische Operationen der
Regierung handele. Zuvor schob die AKP-Regierung die
Verantwortung für die geführten Operationen auf die türkische
Justiz, die unabhängig ihre Aufgaben verfolge. Jedoch hat Atalay
mit folgenden Worten in einem Interview bei einem Privatsender
dem vorhergesagtem widersprochen und die eigene Regierung
als Urheber der Operationen benannt:
„Für die PKK und ihre terroristischen Einheiten ist das Inland,
das Ausland, die Berge und all das zur gefährlichen Zone
geworden. Wir werden unsere Arbeiten genau in diesem
Rahmen fortsetzen. Unsere Sicherheitsvorkehrungen werden
fortgesetzt. Auch im Winter laufen unsere Operationen
pausenlos. Manche reden von irgendwelchen Gesprächen und
so weiter, aber von so etwas kann nicht die Rede sein. Die
grenzüberschreitenden Operationen, genauso wie die KCK-
Operationen laufen alle koordiniert, sie wurden abgesprochen,
beschlossen und werden umgesetzt.“
Der Fraktionssprecher der BDP Hasip Kaplan hat bezüglich des
Interviews von Atalay eine Anfrage im Parlament gestellt, in der
er eine Antwort auf folgende Fragen vom Innenminister
verlangte: „Worum geht es bei der von ihnen einseitig geführten
Strategie? Warum wurden diese nicht dem Parlament erklärt?
Innerhalb welcher Koordination haben Sie die KCK-Operationen
beschlossen und umgesetzt? Wurden bei der Umsetzung
Sondereinsatzkräfte der Polizei, die der (Gülen-)Gemeinde
nahestehen, eingesetzt? Welche Entscheidungen hat der
Nationale Sicherheitsrat getroffen? Warum haben sie in die
Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen?“
Auch Erdogan hatte zuvor erklärt, dass er die KCK-Operationen
als Premierminister begrüße und unterstütze.
(ANF, 19.12.11, ISKU)
ai: Untersuchungen zur Bombardierung in Uludere
sind nicht glaubwürdig
Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen, zeigt
die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen
(ROG) am 25. Januar 2012 zum 10. Mal herausgegeben hat. An
der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische
Länder, am Ende Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstmals
besetzen auch afrikanische Länder vordere Plätze. Die ROG-
Rangliste der Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der
Medien in 179 Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis
zum 30. November 2011.
Die Türkei verschlechterte sich um 10 Plätze und kam damit auf
Rang 148 von insgesamt 178 Ländern. “Unter dem Vorwand,
den Terrorismus zu bekämpfen wurden Dutzende
gefangengenommen, bevor ihnen ein Prozess gemacht wurde”.
Das gelte besonders für die Verdächtigen im Fall Ergenekon und
KCK, so der Bericht. „Die beispiellose große Anzahl von
Verhaftungen, sehr viele Telefonabhörungen und die
Missachtung der Geheimhaltung von journalistischen Quellen
haben in den Medien ein Klima der Einschüchterung
geschaffen“, so die ROG weiter.
(http://www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2011/)
Leyla Zana, die in Deutschland an einer Konferenz über die
Geschichte der kurdischen Migration nach Europa teilnahm,
erklärte gegenüber dem kurdischen Zeitung “Rûdaw”, dass die
“Kurden ihre eigene Zukunft bestimmen sollten”.
“Einige Kurden in der Türkei wollen Autonomie.
Die Frage ist, wieviele von ihnen diese Autonomie wollen.
Über dieses Thema muss auch eine Debatte stattfinden.
Ich glaube, die Kurden sollten in der Lage sein selbst
über ihre Zukunft zu entscheiden.
Es ist wahr, dass wir ursprünglich Autonomie gefordert haben.
Doch heute sind die Kurden in der Türkei der Ansicht, dass eine
Autonomie nicht mehr ausreicht”, Zana wörtlich.
“Ich denke, die Zeit für die Kurden ist gekommen über ihre
eigene Zukunft per Volksabstimmung zu entscheiden… Freiheit,
Autonomie, Föderalismus und Unabhängigkeit sind auch die
Rechte der Kurden.” Die Türkei könne etwa ein Föderales
System wie in Deutschland schaffen, so Zana.
“Die Kurden sollten ihre Zukunft durch ein Referendum
bestimmen. Das Ergebnis, welches eine Autonomie,
Föderalismus oder die Unabhängigkeit für die Kurden in der
Türkei sein könnte, werden wir akzeptieren.” Sie sollten, so Zana
weiter, wie jede andere Nation in der Lage sein, eine
Entscheidung zu treffen, die die Welt zu akzeptieren habe.
(Rûdaw, 27.12.11,
http://www.rudaw.net/english/news/turkey/4265.html)
Amnesty International hat gegenüber den türkischen Behörden
ernste Besorgnis bezüglich der Untersuchungen über die
Bombardierung von Zivilisten durch ein Kriegsflugzeug im Kreis
Uludere/ Qileban in der Provinz Sirnak im Südosten der Türkei
ausgedrückt.
In der Nacht des 28. Dezember 2011 wurden im Landkreis
Uludere/Qileban 34 Zivilisten, darunter 18 Minderjährige, durch
Bombenabwürfe eines türkischen Kriegsflugzeugs getötet. Bei
dem Angriff wurde kein militärisches Ziel getroffen. Zunächst
behaupteten die Behörden, die Getöteten seien bewaffnete
Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gewesen. Später
gaben sie zu, dass es sich um zivile Schmuggler handelte, die
vom benachbarten Irak in die Türkei zurückgekehrt waren.
Amnesty International hatte die Behörden aufgefordert, eine
sorgfältige, unabhängige und unparteiische Untersuchung
durchzuführen und für eine Wiedergutmachung - insbesondere
Entschädigungszahlungen für die Opfer des Angriffs - zu
sorgen. Die Türkei ist gemäß internationalen
Menschenrechtskonventionen verpflichtet, Vorwürfe von
Menschenrechtsverletzungen unverzüglich, sorgfältig und
effektiv durch unabhängige und unparteiische Institutionen
untersuchen zu lassen, Wiedergutmachung, einschließlich
Entschädigungszahlungen für die Opfer, zu leisten und die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Amnesty International begrüßt es, dass
Entschädigungszahlungen für die Familien der bei dem Angriff
Getöteten zugesichert wurden. Andere Entwicklungen erwecken
jedoch Zweifel daran, dass die Untersuchungen sorgfältig und
unparteiisch durchgeführt werden und aufdecken werden, was
genau geschehen ist und wer dafür verantwortlich ist.
Zeugen der Bombardierung, die Aussagen gegenüber
zivilgesellschaftlichen Delegationen, darunter oppositionelle
Parteien, Vertreter von Anwaltskammern und einer Kommission
von Menschenrechtsorganisationen, gemacht haben, gingen
davon aus, dass die Soldaten wussten, dass es sich um
Zivilisten handelte. Die Soldaten seien über den
gewohnheitsmäßigen Schmuggel der Dorfbewohner informiert
gewesen und hätten ihn geduldet. Sie hätten auch gewusst, dass
an dem Tag der Bombardierung schmuggelnde Dorfbewohner in
der Gegend unterwegs waren.
Die Zeugen sagten außerdem aus, die Menschen seien von
Soldaten daran gehindert worden, in das Dorf Ortasu/Roboski
zurückzukehren, nachdem sie die irakische Grenze überschritten
hatten. Die Soldaten hätten ihnen befohlen, in dem Gebiet zu
bleiben, das anschließend bombardiert wurde.
Menschenrechtsorganisationen, die den Vorfall untersuchen
wollten, berichteten, ihre Delegierten seien von Soldaten daran
gehindert worden, den Ort der Bombardierung zu besuchen. Als
Begründung wurden „Sicherheitsbedenken“ angeführt.
Regierungen dürfen Vertreter von zivilgesellschaftlichen
Organisationen, die ein Mandat haben, die Einhaltung von
Menschenrechtsstandards zu beobachten, nicht daran hindern,
Gebiete zu betreten, wenn der begründete Verdacht besteht,
dass es dort zu Verletzungen von Menschenrechten gekommen
ist. Amnesty International hat die türkischen Behörden um
Aufklärung darüber gebeten, warum den Delegierten der Zugang
verweigert wurde.
Die Art und Weise, wie die Untersuchungen durch die
Staatsanwaltschaft geführt werden, verstärkt die Befürchtung,
dass die Umstände und Hintergründe der Bombardierung nicht
aufgeklärt werden.
Über einen Monat nach der Bombardierung sollen die
zuständigen Staatsanwälte noch immer keine Zeugenaussagen
aufgenommen haben. Die Staatsanwälte müssen sicherstellen,
dass Zeugenaussagen sorgfältig untersucht werden und dass
Angehörige des Militärs zur Verantwortung gezogen werden,
wenn festgestellt wird, dass sie fahrlässig oder absichtlich
Zivilisten angegriffen haben.
Außerdem sollen die Staatsanwälte keine Ermittlungen am Tatort
durchgeführt haben. Als Begründung dafür wurde „die Wut der
örtlichen Bevölkerung, die sich in der Gegend versammelt hat
und die Gefahr von terroristischen Aktivitäten“ angeführt. Diese
Rechtfertigung erinnert an das Versäumnis einer sofortigen
Untersuchung des Tatortes nach dem Tod von Ceylan Önkol,
einem Mädchen, das im Jahr 2009 getötet wurde, als es in der
Nähe ihres Elternhauses Vieh weidete. Es besteht der Verdacht,
dass sie durch eine von den türkischen Sicherheitskräften
abgefeuerte Mörsergranate getötet wurde. In diesem Fall sind
die strafrechtlichen Ermittlungen noch immer nicht
abgeschlossen.
Ein weiterer Grund zur Besorgnis sind Berichte, wonach die
Staatsanwälte Informationen über den Tatort ausschließlich von
militärischen Einheiten bezogen haben. Auch dies stellt eine
Gefahr für die Unabhängigkeit der Untersuchungen dar.
Amnesty International hat von den Behörden Aufklärung darüber
gefordert, warum beschlossen wurde, die Ermittlungen geheim
zu führen. Damit wird eine Verfolgung der Untersuchungen
sowohl durch die Öffentlichkeit als auch durch die Anwälte der
Familien der Opfer verhindert.
(amnesty international, 3.2.12,
info@amnesty-tuerkei.de, www.amnesty-tuerkei.de)
Der Menschenrechtsverein IHD hat sich an das Anti-Folter-
Komitee (CPT) des Europarats gewandt und auf die Isolation des
PKK-Gründers Abdullah Öcalan und der fünf anderen auf der
Gefängnisinsel Imrali gefangenen Menschen hingewiesen, die
seit Monaten keinen Kontakt zur Außenwelt haben und auch
keine Besuche ihrer AnwältInnen empfangen konnten.
Im dem Appell wird die Besorgnis über den Gesundheitszustand
von Abdullah Öcalan zum Ausdruck gebracht, der seit dem
27. Juli 2011 vollständig von der Außenwelt isoliert ist. Der IHD
macht auf die systematische Verhinderung von Besuchen auf
Imrali aufmerksam, die stets mit „schlechtem Wetter“ oder
„defektem Boot“ begründet wird.
Das CPT wird aufgefordert, eine Kommission zu bilden, die das
F-Typ Gefängnis Imrali besuchen und die dort stattfindenden
Rechtsverletzungen untersuchen soll.
In der Petition wird auch auf die am 22. November 2011 erfolgte
Verhaftung von 35 AnwältInnen Öcalans hingewiesen und
unterstrichen, dass die Vorwürfe gegen die AnwältInnen
inakzeptabel sind.
Die Verweigerung des Besuchsrechts der Gefangenen wird als
Willkührmaßnahme der Behörden benannt und weiter
ausgeführt, dass „Million Menschen in der Türkei und anderen
Teilen der Welt besorgt sind über den Gesundheitszustand des
Anführers der politischen Bewegung der KurdInnen. Auf der
anderen Seite haben etwa 7.000 Gefangene aus KCK und PKK
in türkischen Gefängnissen einen alternierenden Hungerstreik
begonnen, um gegen die Isolation Öcalans zu protestieren. Die
jetzige Situation zeigt, wie groß die Spannungen im
Gefängnissystem der Türkei sind.“
Der Appell endet mit der Aufforderung an das CPT, so schnell
wie möglich die Gefängnisinsel Imrali zu besuchen und
angesichts der Dringlichkeit des Falles die notwendigen
Untersuchungen vorzunehmen.
(DIHA, 12.1.12, ISKU)
In den Morgenstunden vom 13. Januar ist es in elf Städten zu
Razzien und Festnahmen im Rahmen der sogenannten KCK-
Operationen gekommen. Ziele waren in den Städten Adana,
Ankara, Istanbul, Mersin, Amed (Diyarbakir), Agirî (Agri),
Riha(Urfa), Mêrdîn (Mardin), Êlih (Batman), Sêrt (Siirt) und Wan (Van)
neben den Mitgliedern der BDP auch Vertreter der Gewerkschaft
KESK und Mitglieder des Vereins zur Förderung der kurdischen
Sprache Kurdi-Der. Auch ein Journalist der Nachrichtenagentur
DIHA wurde nach einer Razzia in seinem Haus in Ankara
festgenommen.
Ein weiteres Ziel der Razzien war die Wohnung der BDP-
Parlamentsabgeordneten Leyla Zana in Ankara. Zana befand
sich zum Zeitpunkt der Razzia nicht in ihrer Wohnung.
Premierminister Erdogan hatte vor kurzem die
Staatsanwaltschaft dazu aufgefordert gegen Zana aufgrund ihrer
Aussagen bei einer öffentlichen Veranstaltung Ermittlungen
einzuleiten. Zana hatte am 9. Januar auf Diskussionen, in der
gefordert wurde, dass die PKK einseitig ihre Waffen niederlegen
solle, geantwortet, dass keine einseitigen Schritte unternommen
werden können. Solange das Kurdenproblem nicht gelöst ist,
seien die Waffen die Versicherung des kurdischen Volkes.
(ANF, 13.1.12, ISKU)
Auf seiner 25. Sitzung – zwei Tage vor dem Fünf-Jahres-
Gedenken an Hrant Dinks Ermordung - verkündete Richter
Rüstem Eryilmaz von der 14. Strafkammer zu Istanbul das Urteil:
Wegen „Anstiftung zur Tötung des türkisch-armenischen
Journalisten Hrant Dink vor fünf Jahren“ wurde Yasin Hayal zu
lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt. Ein anderer verdächtiger
Hintermann des Mordes, Erhan Tuncel, wurde vom Mordvorwurf
freigesprochen, allerdings zu einer Haftstrafe von zehn Jahren
und sechs Monaten für einen Bombenanschlag auf eine
McDonald-Filiale (2004) verurteilt. Der zur Tatzeit angeblich erst
17jährige Haupttäter, Ögün Samast, war im Juli 2011 von einem
Jugendgericht zu einer Haftstrafe von 22 Jahren und zehn
Monaten verurteilt worden.
Der Freispruch für Erhan Tuncel und andere Details der
Urteilsverkündigung kommen für Menschenrechtler und kritische
Prozessbeobachter als große Enttäuschung. Noch vor der
Urteilsverkündung hatte „amnesty international“ den türkischen
Justizbehörden vorgeworfen, dass sie nicht dem Vorwurf der
Verwicklung von Staatsbeamten in den Mord an H. Dink
nachgegangen waren. Auch die Organisation „Reporters Without
Borders“ hatte bereits vor der Urteilsverkündung Zweifel
formuliert: „Was immer das Gericht entscheidet, wir erwarten uns
nicht viel von diesem Gericht. Auch fünf Jahre nach Dinks
Ermordung hat es sich als unfähig erwiesen, um die gesamte
Komplexität im Staatsapparat zu durchdringen und die
Hintermänner zu identifizieren. Niemand kann diesen Fall als
abgeschlossen betrachten. Elemente in der Polizei sowie im
Justizapparat haben die Ermittlung bis zum letzten Augenblick
behindert. Gemeinsam mit der Familie Dinks und seinen
Kollegen hoffen wir, dass das Ende dieses Schauprozesses
einen Neustart der Ermittlung markiert, und wir werden mit mehr
Entschlossenheit denn je darauf hinwirken.“
Hrant Dink, ein türkischer Staatsbürger armenischer
Abstammung, wurde am 19. Januar 2007 vor dem Büro der
Zeitschrift Agos, deren Herausgeber er war, erschossen. "Hrant
Dink wurde ermordet, weil er seine Meinung friedlich geäußert
hat." sagt Andrew Gardner, Türkei-Experte von Amnesty
International. "Die Sicherheitsdienste wussten von dem Mordplan
und hatten Kontakt mit denjenigen, die des Mordes angeklagt
sind, es wurde jedoch nichts unternommen, um den Mord zu
verhindern. Nur eine vollständige Untersuchung der Handlungen
aller staatlicher Einrichtungen und Beamten, die mit dem Mord in
Verbindung gebracht werden, wird Gerechtigkeit darstellen".
(http://www.amnesty.de/2012/1/18/tuerkei-keine-gerechtigkeit-imfall-
hrant-dink, AGA-Online, 17.1.12)
Am 6. Oktober 2011 wurden in Mersin 17 Jugendliche bei der
Trauerfeier von Sadik Kaya (HPG-Mitglied) festgenommen. Seit
4 Monate sind sie im Gefängnis, ohne rechtskräftig verurteilt zu
sein und ohne vor Gericht gestanden zu haben. Aus diesem
Grund sind sie in einen Hungerstreik getreten. Vorgeworfen wird
ihnen „Propaganda für eine Organisation“ betrieben zu haben,
eine Anklageschrift liegt aber noch immer nicht vor.
Die Familien der einsitzenden Jugendlichen beschweren sich
wegen der Situation ihrer Kinder und auch der
Menschenrechtsaktivist und Anwalt Eyüp Sabri Öncel fordert,
dass die Anklageschrift so schnell wie möglich
vorzulegen sei, um den Jugendlichen nicht noch mehr Schaden
zuzufügen.
Die Mutter des Gefangenen Jiyan O. (16) erklärte, dass sie jede
Woche ihren Sohn im Gefängnis besucht kann, die Bedingungen
jedoch miserabel sind. Sie erwartet, dass sich die Bedingungen
ändern und die Jugendlichen sich vor Gericht verteidigen
können. Dass nach mehr als vier Monaten sie noch immer ohne
Urteil im Gefängnis einsitzen, ist nicht länger haltbar.
2011 wurden in Mersin 120 Jugendliche und Kinder wegen der
„Teilnahme an Protestaktionen“ oder dem „Werfen von Steinen
auf Polizisten“ festgenommen. Der Vorsitzende des
Menschenrechtsvereins IHD von Mersin Ali Tanriverdi räumte
ein, dass es zuvor nie eine so große Anzahl von inhaftierten
Jugendlichen und Kindern in Mersin gegeben hat und die Polizei
sozusagen eine „Jagd“ auf kurdische Jugendliche und Kinder
veranstaltet.
Tanriverdi wies darauf hin, dass der Grund der Festnahmen
zumeist die Beteiligung an öffentlichen Presseerklärungen oder
Protestaktionen ist. Dies aber sind demokratische Aktionsformen.
Außerdem würden wegen der schlechten Behandlung im
Gefängnis viele Beschwerden beim Menschenrechtsverein
eingehen, so der Menschenrechtsaktivist Ali Tanriverdi und fügte
hinzu, dass die zunehmenden Festnahmen die Bevölkerung sehr
beunruhigen.
(ANF, 25.1.12, ISKU)
Eine aus bautechnischen Gründen geführte Grabung in einem
Verhörzentrum führte zufällig zu einem Massengrab mitten in
Amed/Diyarbakir von Dutzenden Menschen, die in den letzten 20
bis 30 Jahren getötet und heimlich begraben wurden.
Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren
eingeleitet. Das historische Viertel Ickale in Diyarbakir war bis vor
etwa zehn Jahren als Verhör- und Internierungszentrum der
Militärpolizei und des berüchtigten paramilitärischen
Geheimdienstes Jitem genutzt worden.
Es haben sich 27 Familien beim IHD gemeldet, deren
Angehörige in den Verhörzentren des JITEMs „verschwunden“
waren. In den 1990er Jahren wurden Tausende kurdische
Aktivisten, Menschenrechtler, Gewerkschafter und
Geschäftsleute von türkischen Sicherheitskräften verschleppt
und sind spurlos verschwunden. Seit 1995 versuchen die
Angehörigen durch stillen Mahnwachen den Blick der
Öffentlichkeit auf die „Verschwundene“ zu lenken.
Laut einer Untersuchung vom IHD sind von bis jetzt
festgestellten 253 Massengräbern lediglich 29 ausgegraben. IHD
geht davon aus, dass sich Überreste von 3.248 Menschen noch
in den Massengräbern befinden. Zu diesem Zweck hat IHD eine
interaktive Karte eingerichtet: www.ihddiyarbakir.org/Map.aspx
(ANF, 19. Und 22.1.12, ISKU; Radikal und junge Welt, 26.1.12)
Seit Jahren wird von Menschenrechtsorganisationen wie
amnesty international und Human Rights Watch, aber auch von
der Europäischen Union über schwere
Menschenrechtsverletzungen aus der Türkei berichtet. Am 22.
November 2011 kulminierten diese in der Massenfestnahme von
ungefähr 50 türkischen und kurdischen Anwältinnen und
Anwälten bei koordinierten Razzien im Zuge der sogenannten
KCK-Operationen in vielen türkischen Städten und Provinzen.
Das Institut des Droits de I'Homme des Avocats Européens
(IDHAE), hat auf Anregung der Avocats Européens Démocrates
(EDA), des Europäischen Dachverbandes nationaler
Anwaltsvereinigungen, und unter Mitwirkung der European
Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights
(ELDH) den 24. Januar zum Tag des bedrohten Anwalts erklärt.
Dieser Tag wird von den Mitgliedern der genannten
Organisationen europaweit durch Veranstaltungen,
Kundgebungen etc. begangen werden.
Am 24. Januar 2012 wurden in Berlin, Brüssel, Amsterdam,
Paris, Rom, Madrid und Barcelona vor türkischen Vertretungen
Kundgebungen durchgeführt.
(RAV - Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.;
Fax: 030-41723557)