Der Hessische Flüchtlingsrat fordert Innenminister Bouffier auf, die Anfechtung des Urteils im Fall Kazan noch einmal zu überdenken und die unter fragwürdigen Umständen eingelegte Berufung zurückzunehmen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte den Main-Kinzig-Kreis zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an die vor einem Jahr abgeschobene Familie Kazan verpflichtet, der Landrat hatte das Urteil angenommen. In letzter Sekunde ließ der Innenminister das Regierungspräsidium Berufung beim VGH einlegen, da es sich angeblich um ein Urteil von grundsätzlicher Bedeutung handle.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist an diesem Fall wohl am ehesten, ob es einer nicht am ursprünglichen Gerichtsverfahren beteiligten Partei erlaubt ist, Berufung gegen ein Urteil einzulegen. Zu der Frage, ob Kindern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und keinerlei Bindungen an ihr „Heimatland“ haben, hier ein Aufenthaltsrecht zusteht, hat der VGH indes schon am 7. Juli 2006 geurteilt, dies käme
etwa bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. (7UE 509/06, S. 28)
Genau dies hat das VG Frankfurt für die Kinder der Familie Kazan konstatiert. Ob die Berufung durch das Regierungspräsidium hingegen zulässig ist, muss erst noch geklärt werden – dies allerdings verzögert die Wiedereinreise der Familie Kazan um Monate, wenn nicht sogar Jahre.
„Anstatt die Sache auf sich beruhen zu lassen und dem Leiden der Kinder, die nichts als nach Hause wollen, ein Ende zu bereiten, wird dieses Leiden vorsätzlich durch die fragwürdige Anfechtung des Urteils verlängert“ kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, den Vorgang. „Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass sich der Landtag der Sache angenommen hat und hoffen, dass doch noch eine schnelle und unbürokratische Lösung im Sinne der Kinder gefunden werden kann.“
Gez. Timmo Scherenberg,
Geschäftsführer Hessischer Flüchtlingsrat