Abschiebung gescheitert, Familie soll zahlen
Geschrieben von jnwwebmaster am December 21 2007 07:06:42

Abschiebung gescheitert, Familie soll zahlen


Ausländerbehörde: Rechnung über 7435 Euro für Arzt und Polizei an Adresse in Lautertal

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KREIS BERGSTRASSE. Das Ausländer- und Migrationsamt des Kreises Bergstraße fordert von einer Familie aus der Gemeinde Lautertal 7435,13 Euro, die angeblich dadurch entstanden sind, dass das Ehepaar und die drei Kinder abgeschoben werden sollten. Wie es in dem Schreiben aus dem Landratsamt vom 28. November heißt, sind bei den beiden Abschiebeversuchen – der letzte am 21. Dezember 2006 – Arztkosten von etwa 1200 Euro sowie Kosten für den Polizeieinsatz von 6100 Euro entstanden.

Die Familie hatte sich daraufhin an den Ortsvorsteher gewandt, der hatte Bürgermeister Jürgen Kaltwasser informiert, und der wiederum die Gemeindevertretung im Verlauf einer öffentlichen Sitzung am 13. Dezember unterrichtet. Der Erste Kreisbeigeordnete Thomas Metz (CDU), der für die Ausländerbehörde zuständig ist, beruft sich auf den Paragraphen 66 des Aufenthaltsgesetzes, der den Kreis verpflichte, diese Rechnung zu stellen. Die Familie in Lautertal sei kein Einzelfall.

Kaltwasser sagte gestern auf ECHO-Nachfrage, nach seinem Wissen gebe es keine Rechtsgrundlage dafür, die Kosten für Abschiebungsversuche den Betroffenen anzulasten. Weil die Familie aus dem ehemaligen Jugoslawien seit mehr als acht Jahren in Deutschland lebt und mittlerweile nach der Altfallregelung nicht mehr abgeschoben werden darf, sei die Rechnung der Ausländerbehörde nicht zu akzeptieren.

Kaltwasser und viele Bürger seiner Gemeinde regen sich auch deshalb über diesen Fall auf, weil die Familie als vorbildlich integriert gilt. „Die Kinder engagieren sich in Sportvereinen und bei der Feuerwehr, sie sprechen gut deutsch“, berichtet der Bürgermeister. Eltern und Kinder seien zum Sozialfall geworden, weil der Vater als Asylbewerber seinen Arbeitsplatz aufgeben musste. Eine Initiative an der Heppenheimer Christuskirche hatte noch vor wenigen Monaten die Verweigerung der Arbeitserlaubnis für die Familie kritisiert, als der Familienvater, ein gelernter Maurer, eine Stelle in Frankfurt gefunden hatte, diese aber nicht antreten durfte und mit seiner fünfköpfigen Familie weiter von monatlich 1573 Euro inklusive Miete und Krankenversicherung leben musste.

Im November 2006 trat die neue Bleiberechtsregelung in Kraft. Danach haben ausländische Familien mit Kindern, die seit mindestens sechs Jahren in Deutschland leben und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, einen Anspruch auf Bleiberecht. Im Kreis Bergstraße waren davon 600 Menschen betroffen, weshalb der Kreistag bereits im vergangenen September beschlossen hatte, den Landrat zu beauftragen, „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, dass Personen, die im Kreis Bergstraße wohnen und in den Genuss dieser Bleiberechtsregelung kommen könnten, nicht noch zuvor zur Ausreise genötigt oder abgeschoben werden“.

Die Familie aus Lautertal hatte einen Antrag auf Bleiberecht gestellt. Umso erstaunter waren sie, als sie drei Tage vor Weihnachten die Wohnungstür aufgebrochen und die Wohnung durchsucht vorfanden. Die Behörden hatten, noch bevor über den Antrag der Familie entschieden worden war, versucht, sie abzuschieben. Die drohende Abschiebung konnte nur dadurch verhindert werden, dass die Christuskirche Kirchenasyl gewährte.

Inzwischen ist der Antrag abgelehnt worden, wogegen die Familie wiederum Klage erhoben hat.
ai
20.12.2007

http://www.echo-online.de/suedhessen/static/550047.htm