Pauschale Asylmissbrauchsvorwürfe unterlassen!
Geschrieben von jnwwebmaster am October 23 2012 07:05:23
Bochum, den 22.10.2012
 
Pressemitteilung
 

Pauschale Asylmissbrauchsvorwürfe unterlassen!
Neuer Bericht zur Lage der Roma in Serbien belegt Schutzbedürftigkeit
 
 
 Der Flüchtlingsrat NRW hat heute die deutsche Übersetzung des Berichts "Die Liberalisierung des Visasystems und Einschränkungen des Rechts auf Asyl - zur Situation serbischer Roma, die im Ausland Asyl beantragt haben" veröffentlicht.

Der Bericht dokumentiert erneut die prekäre Lebenssituation von Roma in Serbien und zeigt insbesondere den Zusammenhang zwischen der Visaliberalisierung für serbische Staatsangehörige und der Einschränkungen ihrer Menschenrechte auf.

Nachdem im Jahr 2009 die Visafreiheit für serbische Staatsangehörige eingeführt wurde, ist die Zahl der Asylanträge serbischer Schutzsuchender in den EU-Staaten deutlich angestiegen. Mehr als 90 Prozent der Asylantragsteller gehören der Minderheit der Roma an.

Der Bericht belegt, dass Roma in Serbien noch immer systematischer und institutioneller Diskriminierung, rassistischer Gewalt und extremer Armut ausgesetzt sind. Er zeigt auch, dass sich unter dem Druck der EU insbesondere die Situation für abgelehnte Asylsuchende, die nach Serbien abgeschoben wurden bzw. eigenständig „freiwillig“ nach Serbien zurückgekehrt sind, im Laufe des letzten Jahres drastisch verschlechtert hat. Rückkehrern aus den EU-Staaten drohen in Serbien Strafverfolgung, Passentzug und Ausreiseverbote. Zudem sind für diese Personen keine rechtlichen, sozialen oder medizinischen Hilfestellungen zur Wiedereingliederung in die serbische Gesellschaft vorhanden. Durch verstärkte Grenzkontrollen, insbesondere an der serbischen EU-Außengrenze, Sonderkontrollen von Roma durch „ethnic profiling“ und erniedrigende Polizei-Befragungen sollen zudem potentielle Asylgesuche völkerrechtswidrig bereits an der serbischen Grenze verhindert werden.

Hinzu kommt, dass sowohl die EU als auch die einzelnen Regierungen der Mitgliedstaaten sowie die Regierungen Serbiens und Mazedoniens durch öffentliche Äußerungen über den angeblichen Missbrauch des Asylrechts die wachsende antiziganistische Stimmung gegen Roma schüren. In Deutschland haben insbesondere Politiker der Unionsparteien in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Flüchtlingszahlen und der Anpassung der Sozialleistungen für Asylsuchende durch das Bundesverfassungsgericht zu konstruieren und Roma öffentlich als „Asylbetrüger“ diffamiert. Diese Argumentation ignoriert die tatsächlichen Fluchtgründe und wird durch die Tatsache widerlegt, dass auch in den anderen europäischen Staaten die Zahlen serbischer und mazedonischer Asylantragsteller steigen.

Anstatt darauf zu drängen, die Rechte der Roma zu stärken, die sozio-ökonomische Diskriminierung abzubauen und Roma vor antiziganistischen Übergriffen zu schützen, droht die EU die Visumsfreiheit erneut einzuschränken, falls die Asylantragszahlen nicht abnehmen.

Die aktuellen Forderungen nach einem verkürzten Asylverfahren für serbische Asylsuchende in Deutschland und die Bagatellisierung der tatsächlichen Lebenssituation von Roma sind vor diesem Hintergrund inakzeptabel. „Bei jeder Asylantragstellung, also auch bei serbischen Staatsangehörigen, muss eine fundierte Einzelfallprüfung stattfinden. Bei einem verkürzten Asylverfahren kann nicht adäquat auf den Fluchthintergrund und eine tatsächliche Bedrohung im Herkunftsland eingegangen werden“  betont Heinz Drucks vom Vorstand des Flüchtlingsrat NRW e.V. „Auf dieser Grundlage kann keine faire Entscheidung über den Asylantrag getroffen werden“.
 
Für eventuelle Rückfragen stehen wir unter der angegebenen Telefonnummer gerne zur Verfügung.
 
gez. Birgit Naujoks, Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen e.V.
 
 
 
 
Die Liberalisierung des Visasystems und Einschränkungen des Rechts auf Asyl
Herunterladen können Sie den Bericht „Die Liberalisierung des Visasystems und Ein-schränkungen des Rechts auf Asyl - zur Situation serbischer Roma, die im Ausland Asyl beantragt haben“ auf unserer Website unter
http://frnrw.de/news/publikationen

Der Bericht wurde im Juli 2012 durch das Regional Centre for Minorities (RCM) in serbischer Sprache verfasst. Die deutsche Übersetzung wurde im Oktober 2012 von Karin Waringo, Vorsitzende der Menschenrechtsvereinigung Chachipe a.s.b.l. aus Luxemburg, überarbeitet und ergänzt. Die Koordinierungs- und Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt leistete die Filmemacherin Katrin Schnieders aus Münster mit großzügiger Unterstützung des Bündnisses MünsteranerInnen für ein Bleiberecht der Roma.

Finanziell wurden Recherche und Arbeit an diesem Bericht ermöglicht durch die Evangelische Kirche von Westfalen und die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V., die Evangelische Kirche im Rheinland, das Bistum Münster und PRO ASYL.
 
 
Ergänzend möchten wir auch noch auf den Bericht "Selective Freedom - The Visa Liberalisation and Restrictions on the Right to Travel in the Balkans" hinweisen, den die Menschenrechtsorganisation Chachipe im Juni 2012 veröffentlicht hat. Diesen Bericht können Sie hier herunterladen:
http://www.ggua.de/fileadmin/downloads/Rueckkehrer_Reisefreiheit/Chachipe_Visa_liberalisation_report_270612.pdf
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